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Es ist: 05.02.2025, 19:49


[Prolog] Flucht ins Ungewisse
#11
Anahiel hatte ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Bloß so unnahbar und vermutlich etwas abgeranzt, wie möglich aussehen, damit einen niemand ansprach. Nicht zu sehr natürlich, denn das würde auch wieder Aufmerksamkeit auf sich ziehen, denn Obdachlose hatten natürlich keine Zugtickets, deshalb hatte Anahiel ihre Jacke extra ausgezogen, als sie unter dem Zaun durchgeklettert war.
Während der Fahrt hatte sie die meiste Zeit die Augen geschlossen gehalten und versucht zu dösen, auch wenn ihr das nur mehr schlecht als recht gelungen war. Letztendlich hatte sie einige Zeit damit verbracht, das Pochen in ihrer Hand zu zählen, während ihr Geist in der Schwärze ihrer Augenlider über Stunden bei frustrierend viel Bewusstsein blieb.

Jetzt zählte sie die Menschen am Bahnsteig, zwanzig, einundzwanzig, fünfundzwanzig, und dachte sich aus, wohin sie wohl unterwegs sein könnten, wie ihr Tag gelaufen war. Alles, nur um nicht an ihre eigene Situation denken zu müssen. Yriho hatte irgendwann darum gebeten, aus ihren Gedanken ausgeschlossen zu werden, weil ihn ihr Gezähle wahnsinnig machte. Sporadisch schickte sie ihm noch die ein oder andere eine Nummer, oder ein ganz besonders blödes Hirngespinst, um ihn zu ärgern - weil das der einzige Humor war, den sie gerade noch übrig hatte. 
Sie wollte nicht darüber nachdenken, wie es weitergehen würde. Was sie schon wieder zurückgelassen hatte. Schon wieder vogelfrei war. Oder immer noch. Das würde sie nämlich wahnsinnig machen.

Dalvins Stimme drang an ihre Ohren, aber es dauerte ein wenig, bis Anahiel registriert hatte, dass er mit ihr sprach und dann musste sie sich nachträglich erinnern, was er gesagt hatte. Sie drehte den Kopf leicht herum und lugte unter dem Saum ihrer Kapuze zu ihm hoch.

„Ne,” antwortete Anahiel knapp und begutachtete das Gesicht ihres Freundes ein wenig. Sie fragte sich, ob sie gerade auch so alt und müde aussah, wie er. Zumindest fühlte sie sich genau so. Sie räusperte sich, ihr Hals fühlte sich rau und die Stimmbänder unbenutzt an.

„Aber hab’ gehört, die Kanadier sollen nett sein.”

Nettigkeit. Die könnten sie wirklich mal gut gebrauchen, nicht dass sich Anahiel viel Hoffnung machte.
Immerhin das leichte Lächeln kam noch automatisch, als Dalvin ihr die Wasserflasche entgegenhielt und die Deutsche sie dankend annahm. Yriho blieb still, am Gespräch beteiligen konnte er sich gerade ohnehin nicht, ohne den Weg durch ihren Kopf zu nehmen. Die Antwort war dieselbe.

„Du?”

Belangloser Smalltalk. Aber, sie schätzte, besser als bis in die Unendlichkeit zu zählen.


[Bahnhof | Dalvin, Yriho (d), Miali (d)]
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#12
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Miali
Rotfuchs
leiser Sonnenschein


Sie hielt sich bedeckt, die meiste Zeit. Die Wunden waren tief, die diese Menschen mit sich trugen. Wunden, die sie im Ansatz nachfühlen konnte und die doch noch ihr Geheimnis waren. Jonathan hatte ihnen aufgrund der Zeit nicht alles erzählt gehabt. Die Eckpunkte kannten sie. Das reichte, um dieser eigentümlichen Rettungsaktion beizuwohnen. Für alles andere war Zeit, wenn sie in Sicherheit waren. Und das wären sie, würden sie nur endlich an ihrem Ziel ankommen. Doch es brachte nichts, ihnen das wieder und wieder zu versichern. Sicherheit war auch ein Gefühl. Und Gefühle basierten bekanntlich nicht auf logischen Tatsachen. Bis sich bei dieser Gruppe Katori ein Gefühl von Sicherheit einstellen würde - es würde ewig dauern, bis die Wunden begannen, zu heilen. Das wusste Miali aus Erfahrung. Einst war sie ebenso hoffnungslos auf einer solchen Reise gewesen. Umso mehr freute sie sich darauf, zu sehen, wie sie aufblühen würden, wenn man ihnen nur die Gelegenheit gab, nach vorne zu sehen.

Dementsprechend wenig sorgte sie sich um die vielen schweigsamen Stunden, die sie den letzten Tag gemeinsam im Zug verbracht hatten. An sich machte es das für sie sogar leichter, weil sie nicht mit Fragen konfrontiert wurde, die noch warten mussten. Ihr Partner würde sich früh genug mit ihnen auseinandersetzen und ihnen Antworten bieten. Dann, wenn sie in der Lage waren die Informationen auch zu verarbeiten und nicht halbgar auf einer Flucht, deren Ausgang sie sich noch nicht einmal vorstellen konnten.

„Oh, das sind sie. Und es ist weniger geschäftig als in Hanya.“, warf sie gutmütig in das Gespräch der beiden Katori ein. „Ihr werdet euch ein wenig erholen können, versprochen.“



{ (d) | Dalvin & Anahiel & Yriho (d) | Bahnhof }
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#13
Immer Mal wieder lauschte Dalvin auf die Gedanken seiner Partnerin, die ihn jedoch nach wie vor ausschloss. Er ging nicht davon aus, dass irgendetwas passiert war, in diesem Fall hätte sie ihm sofort Bescheid gegeben, der Ire versuchte also, sich möglichst wenig Sorgen zu machen. Stattdessen behielten seine blauen Augen weiter die Umgebung im Auge, suchte in jedem Fetzen von Licht Jemanden, der sich verdächtig verhielt, der zu oft zu ihnen hinüber sah. Anahiel neben ihm schien ähnlich in Gedanken versunken zu sein, es dauerte immerhin einige Momente, bis sie registrierte, dass er sie angesprochen hatte. Sie musterte ihn, lugte unter der Kapuze zu ihm auf – und antwortete dann auf eine Weise, die dem Iren beinahe wehtat. Sie zu wortkarg zu erleben zehrte noch mehr an seinen Kräften. Immerhin war es irgendwie Anthonys und seine Schuld, dass sie bei ihnen war. Wären sie der Jüngeren damals nicht begegnet, könnte sie jetzt noch bei Maggy in Hanya sein. Und nicht auf der Flucht vor etwas, was niemand von ihnen verbrochen hatte. Auf ihre Antwort hin neigte der Dunkelhaarige leicht den Kopf in einer zustimmenden Geste. Ja, die Kanadier sollten nett sein.
In diesem Moment meldete sich die Füchsin zu Wort, die sie begleitete und im ersten Moment suchte Dalvins Blick nach ihrer Gestalt, fand sie aber natürlich nicht. Sie stimmte den Worten der Frau zu, versprach im selben Atemzug, dass sie sich erholen können würden. Dalvin wollte ihr glauben, mehr als alles andere. Das Versprechen von Erholung klang in seinen Ohren dennoch nach leeren Worten.

„Das ist nach dieser Wanderung auch bitter nötig.“

Nicht nur nach diesem Mammutmarsch, aber er musste nicht aussprechen, wovon sie sich erholen mussten. Und der Schmerz, der konstant in seinem Fuß pulsierte erinnerte ihn nur zu gut an all das. Anahiel griff mit einem leichten Lächeln nach der Flasche, die Dalvin ihr anbot und so ließ er die Hand wieder senken, dachte noch einen Moment nach, eher antwortete.

„Ich selbst war nur kurz in Kanada. Auf Durchreise.“

Damals, als er Jadiya getroffen hatte und sie ihre Reise durch die USA fortgesetzt hatten, dabei auch ein wenig Zeit im Nachbarland verbracht hatten.

„Kommst du aus Kanada, Miali?“

Dalvins blaue Augen richteten sich wieder nach vorn, auf den Lichtpunkt einer Laterne in ihrer Nähe. Seinetwegen konnte der Zug jetzt losfahren. Er hasste dieses Gefühl, hier nur herum sitzen zu können.

[Anahiel, Yriho (d) & Miali (d) | Bahnhof]
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#14
"Dann eben nicht", erwiderte Samuel und schnippte seine Kippe auf die Schienen. Es war überhaupt nicht negativ gemeint, aber sein Versuch, dadurch ein Gespräch zu begründen, erfuhr er als gescheitert. Doch der junge Mann eröffnete wider Erwarten diesen Smalltalk. 

Irgendetwas an ihm, und Samuel wusste nicht genau, was es war, dass war an dem Lockenkopf irgendwie anders. Als er dann sagte, er war einer, wurde es dem Katori bewusst. Er war das, was man gemeinhin als "die Gefallenen" bezeichnete - Menschen, die einst Katori waren, deren Seelentier jedoch starb.

"Das tu-tu-tu-t mir leid", murmelte der Mann und ärgerte sich, dass er gestottert hatte. Das Stottern war schon oft der Grund gewesen, dass er verlacht und ausgestoßen wurde. Ein riesiger Mann, mit Händen wie Pranken und einem Gesicht wie ein Neandertaler, der stotterte war einfach für viele andere Menschen ein Grund zur Belustigung. Samuel kaute auf seiner Lippe und hoffte, dass der Fremde ihn nicht auslachen würde. Er wirkte nicht so, dass er es tun würde...aber die Angst war immer in Samuels Herzen.

Der junge Mann erklärte weiterhin, dass er und seine Freundin auf der Durchreise wären.


"Na sowas!", rief Nethaki und in ihr wuchs die Hoffnung, sich bald mit anderen Seelentieren und Katori gleichermaßen in den Austausch zu kommen.


Die nächste Frage richtete sich an den Hünen. Er blinzelte etwas verwundert - der andere Mann schien sich tatsächlich normal mit dem Glatzkopf zu unterhalten! Und das ohne verlacht oder gedemütigt zu werden! Der Mann schüttelte den Kopf und zog seine Nase hoch.

"Bin aus Inebury", begann er zu berichten, "ich ar-ar-arbeite im Krankenhaus. Hab 'ne Lady begleitet, in eine Klinik hier, fahr' nun aber wi-wi-wieder zurück nach Kanada, fühl' mich dort einfach wohler."

"Und...?", Samuel blickte den jungen Mann an, "wer bist'n du? Und wie heißt du?" Ich bin Samuel."

Der Bären-Katori lächelte schief. Er versuchte so freundlich und offen zu sein, wie er es eben konnte, in der Hoffnung, diese Zugfahrt vielleicht einen Gesprächspartner in dem jungen Mann zu finden.

[Nethaki (d) / Anthony und Jadiya (d) / am Bahnhof]
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#15
Für Vincent Noyer reichte eine einmalige Erfahrung, um mit ziemlicher Sicherheit zu sagen, dass Konferenzen kein favorisierter Aspekt seines neuen Jobs sein würden. Zugegeben, er kannte in den wenigen Wochen als wissenschaftlicher Assistent von Doktor Hellissand bislang nur einen Bruchteil seines Aufgabengebiets - doch die letzten Tage umgeben von anderen Wissenschaftlern, ständig um Worte ringend, die ihn nicht als den Hochstapler bloßstellten der er war, und immer auf der Hut davor nicht von der Vergangenheit eingeholt zu werden, hatten das Erlebnis nicht positiv geprägt. Dass Doktor Hellissand ihn nicht vor den Augen aller Gleichgesinnten des Fachgebiets gefeuert hatte, ließ immerhin vermuten, dass er sich nicht völlig tölpelhaft angestellt hatte. 

Die Heimreise selbst bot auch keine Entspannung an. Sein Vorgesetzter war nach wie vor auf ihn angewiesen und Vincent musste jeden Schritt neuerdings für zwei durchdenken.  Nun stand nur noch eine Zugfahrt zwischen ihnen und der bitter nötigen Erholung. Und um diese zu meistern, brauchte er dringend einen dampfenden Kaffee. Also ließ er seinen Blick suchend an anderen Reisenden vorbeischweifen, auf der Suche nach den Bahnhofsgeschäften, während er mit Doktor Hellissand am Arm den Bahnsteig betrat.

”Der Zug scheint schon da zu sein. Ich würde vorschlagen, Sie warten hier mit den Koffern und ich besorge noch schnell etwas zu essen und Kaffee für die Fahrt. Es muss hier irgendwo auch Geschäfte geben.”

,meinte er an Baldur gewandt und steuerte eine Reihe von Bänken an, die bislang nur von einem Pärchen besetzt waren. Beladen mit dem Gepäck und seinem Begleiter, waren seine Hände mehr als voll.

Wenn du mich mitnimmst, zeige ich dir wo es dein bitteres Bohnengetränk gibt. Ich habe es vorhin gesehen.,bot Korah an. Nicht ohne Hintergedanken natürlich. Sie saß dematerialisiert auf Vincents Schultern und sehnte sich schon lange und sehr lautstark in Vincents Kopf danach ihre Flügel zu strecken und so langsam wurde ihr Geduldsfaden dünn. Sie pickte Vincent in den Hals, doch das würde der Katori nicht spüren. Was er sehr wohl spürte, war ihre Ungeduld und Unzufriedenheit.

Wieso hast du mir das nicht schon früher gesagt?
Ich möchte mitkommen, war die quengelnde Antwort der Rabendame.
Ich kann dich hier nicht fliegen lassen. Du weißt, das muss warten, bis wir wieder in Inebury sind.
Zwischen all diesen bunten Tauben falle ich doch gar nicht auf.

Vincent unterdrückte ein Seufzen, als eine Wand aus Unmut seine Gedanken überrollte. Es war die gleiche Diskussion, die sie bereits bei der Fahrt hierher gehabt hatten. Während der Konferenz hatte es Korah an Baldurs Erzählungen gehangen und sich an dem Schlagabtausch zwischen unterschiedlichen Theorien erfreut. Jetzt allerdings war ihr langweilig.

”Hier ist eine Bank, auf die Sie sich setzen können, Doktor Hellissand. Die Koffer lasse ich bei Ihnen.”
Fliegen, fliegen, fliegen., schnatterte Korah parallel in seinem Kopf.

Er  biss sich in die Innenseite seiner Wange, während er seinem Chef half, sich zusetzen und die Gepäckstücke abstellte. Seine Stille half allerdings nicht, da Korah in seinem Kopf monoton das gleiche Wort trällerte. Vincent blickte sich noch einmal prüfend um, doch die anwesenden Personen am Bahnsteig wirkten ungefährlich und eher mit sich selbst beschäftigt.

”Wir-… ich bin gleich wieder da.”

So ganz wohl war ihm nicht, den Professor zurückzulassen, aber es sollte nicht mehr als ein paar Minuten dauern und um diese Uhrzeit war der Bahnhof wie ausgestorben. Trotzdem bewegte er sich schnellen Schrittes in die Richtung, die Korah ihm trotz ihrer Laune nannte. Und nach wenigen Metern sah er auch schon die Beschilderung eines Kiosks, sowie dahinter ein Geschäft für Essen und Getränke.
Er bemerkte die zwei Gestalten vor dem Kiosk nur flüchtig und eigentlich wären sie ihm gar nicht aufgefallen. Der eine stotterte beim Reden, während der andere in Vincent ein ganz ungutes Gefühl auslöste. Ein Gefühl, das ihn eigentlich dazu antrieb, so schnell wie möglich an den beiden vorbeizukommen und seine Besorgungen zu erledigen. Wäre da nicht die aufmerksame Korah.

Halt, halt, stopp!, klang ihre dringliche Stimme in seinem Kopf. Er konnte fast schon spüren, wie sie auf seiner Schulter auf und ab hüpfte. Die sind wie wir!

”Was?”

Das Wort stolperte ungebremst und viel zu laut aus seinem Mund, während er ja immer noch die beiden Männer anstarrte, in deren Hörweite er sich mittlerweile befinden musste. Korahs Worte brachten auch bei genauerer Betrachtung der beiden keinerlei Erleuchtung. Sie hatte ihm mal gesagt, dass man seinesgleichen spüren würde, doch für Vincent war die jetzige Situation genauso überraschend wie als er Baldur das erste Mal getroffen hatte. Scheinbar war sein Katori-Radar kaputt.

”Entschuldigen Sie-”
”Ihr seid auch Katori, oder?”, unterbrach ihn Korah und brach damit eigentlich ihre Vereinbarung. Keine laute Kommunikation während der Reise und der Konferenz. Sie war einfach viel zu neugierig und freudig darauf, noch weitere Katori und Seelentiere zu treffen. Endlich passierte mal etwas spannendes auf der tristen Reise nach Hause!

[Bahnhof | lässt Baldur in der Nähe vom Zug zurück | mit Korah (d) | bei Anthony, Jadiya(d), Samuel, Nethaki (d)]
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#16
Anthonys Blick folgte der Zigarette auf ihrem Weg auf die Schienen und obwohl ihm irgendetwas daran missfiel, hatte er im Augenblick weder das Bedürfnis noch die Energie dafür, diesem unterschwelligen Gefühl nachzugehen. Er fühlte sich noch immer taub wie die letzten Tage, die letzten Wochen. Unberührt von den äußeren Ereignissen, die sie zu Gejagten gemacht hatten. Er wusste, dass es nicht gesund war, sich stoisch dem hinzugeben, womit sie konfrontiert wurden, doch egal wie sehr er sich bemühte - da war kein Interesse, um etwas daran zu ändern. Er war erschöpft. Ähnlich erschöpft wie damals, als er ohne Faith aus seinem Delir aufgewacht war - gebrandmarkt mit einer Wunde auf der Brust für die Unwissenden und mit einer umgebenden Melancholie für die, die ahnen konnten, dass er dem Tod nicht nur knapp entkommen war. Der Gefallene hatte kein Gefühl dafür, wie viel Zeit verging, bis sein Gegenüber das Bedürfnis ausdrückte, ihm Mitleid zu bekunden. Anthony lächelte blass aber freundlich und nickte. Viel mehr ein erlerntes Verhalten als dass es von Herzen kam, aber er wollte die Worte gerade nicht an sich heranlassen. Das hätte bedeutet, sich mit dem Umstand zu konfrontieren und das war das letzte, was er gerade auch noch gebrauchen konnte. Faith fehlte. Gerade wieder mehr als lange Zeit zuvor. Vielleicht war es nicht nur Jadiya, für die er hier stand, und zumindest so tat, als würde er nach vorne blicken.

Anthony störte sich nicht am Stottern seines Gegenübers. Er war noch nie ein Mensch gewesen, der andere aufgrund irgendwelcher Merkmale komisch beäugte, im Gegenteil. Er hatte sich schon immer auf die Seite derer gestellt, die sich schwerer zu verteidigen wussten und er ahnte, dass es sein Gegenüber nicht immer leicht gehabt hatte. Menschen konnten grausam sein. Nicht nur, wenn sie Krieg gegeneinander führten. Jadiya stellte eine wichtige Frage, die auch ihn nicht minder interessierte. Es war gut, wenn sie vorgewarnt waren, wenn hier noch mehr Ihresgleichen umhergeisterten. Vielleicht sollten sie sich dann doch in den Zug zurückziehen, um nicht unnötig aufzufallen. Der Zug, der auch für Jadiya ein gutes Argument zu sein schien, sich jederzeit zurückzuziehen, wenn ihnen danach war. Diesbezüglich waren sich die Wölfin und er ziemlich einig.
Dann aber erwähnte sein Gegenüber Inebury. Der Rest seiner Aussage ging irgendwie in seinen Gedanken unter, weil es das zweite Mal in wenigen Tagen war, dass Thony überhaupt von diesem Ort hörte. Das erste Mal war gewesen, als sie die Tickets aus diesem Koffer gezogen hatten. Das zweite Mal nun hier, als sie zufällig über einen weiteren Katori stolperten, der genau von dort kam. Der Zufall war ein Arsch. Seine Finger ballten sich kurz angespannt zur Faust. Eine winzige Bewegung, die vielleicht nicht einmal Jadiya auffiel, doch die Wölfin kannte ihn gut. Auch ohne diese Geste wäre ihr wohl bewusst, dass ihn diese Information irgendwie beunruhigte. Aber vielleicht war es auch ein gutes Zeichen? Eines, das bedeutete, dass man dort keine Jagd auf Katori machte? Leider fehlte ihm die Möglichkeit, sich mit Jadiya unter vier Ohren auszutauschen.

„Das nenn' ich Service.“, entgegnete er mit einem Lächeln. „Ein weiter Weg. Die Dame kann sich glücklich schätzen, nicht alleine reisen zu müssen.“ Nicht jedes Krankenhaus hatte für soetwas die Kapazitäten. Oftmals wurde aber auch eben genau an diesen Dingen gespart. „Freut mich, Samuel. Ich bin -“ Es war ungewohnt, sich daran erinnern zu müssen, einen anderen Namen zu nennen. Anthony fühlte sich alles andere als sicher dahinter, aber vielleicht würde die Gewohnheit etwas daran ändern. „William. Und meine Begleitung -“

Eine weitere Stimme unterbrach ihn und wurde ebenfalls ziemlich zügig von einer weiteren weiteren Stimme abgelöst. Thony blickte auf. Ein Mann, etwa sein Alter, war an sie herangetreten und schien ähnlich überrascht wie er selbst gerade dreinblicken musste. Er war so auf Samuel konzentriert gewesen, dass er ihn nicht hatte kommen sehen. Auch seine Aura hatte die Gewohnheit ziemlich gut zu vertuschen gewusst, immerhin hatte Anthony die letzten Monate kaum einen Tag ohne andere Katori verbracht. Er bemühte sich wieder um ein freundliches Lächeln und trat einen Schritt zur Seite, um in ihrem Gesprächskreis Platz für eine weitere Person zu machen. Die Antwort überließ er Jadiya. Er war skeptisch. Nicht zwingend ob der Personen, viel mehr ob der Situation.

„Hallo.“, begrüßte er ihn. „Scheint ein Knotenpunkt zu sein hier.“

Er fand das weniger lustig als es klang.


{ Jadiya (d), Samuel, Nethaki (d), Vincent, Korah (d) | Bahnhof }
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#17
Sein Blick war nach oben gerichtet, beobachtete die Schatten der Regentropfen, die sich hinter dem Glas des Hallendaches nur erahnen ließen und lauschte den monotonen kleinen Trommeln auf denen sie spielten. Es half etwas sich auf dieses Geräusch zu konzentrieren, half dabei die Menschen auszublenden, die ebenso am Bahnhof unterwegs waren und auf die Züge warteten, die sie ihn ihre Zukunft tragen würden - wie auch immer diese aussehen mochte.
Viel war nicht los auf dem diesem amerikanischen Tor zur Welt - jedoch genug, um Jareths Kehle zu verengen, wenn er sich dazu hinreißen ließ ihre Gegenwart zu deutlich an sich heranzulassen.

Früher - in einem anderen Leben - hätte er andere Reisende angesprochen, sich die Zeit damit vertrieben ihre Geschichte anzuhören, einen kurzen Einblick in ein anderes Leben zu erhaschen und dem Gegenüber einen flüchtigen Blick auf sein eigenes Glück zu schenken. Ihnen von seiner Studienzeit in Südafrika erzählt...und von Inebury. Und Siel wäre bei ihm gewesen und hätte den Geschichten der Leute genauso aufmerksam gelauscht, auch wenn diese sie nicht sehen konnten.

Seufzend zog er an der Zigarette, die lose zwischen seinen Lippen hing, stieß den Rauch in die feuchte Nachtluft und sah zu, wie er sich auffächerte, Spiralen zog und sich schließlich in der Weite aufzulösen schien.

Zwischen diesem Früher und Jetzt lag ein Abgrund aus Tod und Grausamkeiten. Und auch wenn die Trümmer seiner Selbst am Ende aus ihm hervorgekrochen waren hatte er das wohl Wichtigste von sich in ihm zurückgelassen und verloren.
Er wusste nicht ob er froh darüber sein konnte noch hier zu sein.
Aber er war hier: weil er vier Augen gehabt hatte anstelle der zwei. Weil Siel dafür gesorgt hatte, dass die Hölle des Krieges ihn am Ende wieder ausspuckte.
Und sie dafür als Preis behielt.

Er wusste, dass er ein gebrochener Mann war - nicht wegen des fehlenden kleinen Fingers an seiner linken Hand oder den Metallsplittern, die sich in seine rechte Körperhälfte gegraben hatten und dort beerdigt bleiben würden, bis er selbst starb. Nicht wegen der Angewohnheit sehr impulsiv zu reagieren wenn sich etwas zu schnell seiner rechten Schläfe näherte und des Streifens silbrig schimmernder Haut, die sich dort befand. Nicht einmal wegen der Schreie und Explosionen, die er hörte, wann immer er die Augen schloss.

Das leise Klirren der Splitter wurde vom Stoff seines Mantels gedämpft, als sie gegen das Glas des Fläschchens klopften, in dem er sie aufbewahrte.

Klirren und Tropfen. Er ließ sich davon beinahe einlullen. Schloss für einen Moment die Augen. Drehte das kleine Glas zwischen den verbliebenen Fingern. Ließ seine Gedanken auf ihren Tönen schweifen und davongleiten. Weg von hier.

Ob Margaret und die Mädchen klar kämen?
Sieben Monate war es her, dass sie Themba begraben hatten. Sieben Monate der Gnadenfrist, die er sich selbst ein ums andere Mal verlängert hatte. Vorwände suchend, Auswege suchend. Alles, um es hinauszuzögern, weil er sich nicht vorstellen konnte wie es sein würde.

Wie knüpfte man auch an ein Leben an, das ein anderer geführt hatte? Jemand, dessen Gesicht man im Spiegel zwar sah - doch da endete die Ähnlichkeit, die Verbindung zwischen Früher und Jetzt.
Die selben blauen Augen gehörten nun einem anderen.

Etwas fehlte. Etwas in seinem Blick, etwas in ihm, in seinem Lachen. Und er wusste, dass die Menschen es spürten.
Sie sahen ihn an und wussten, dass sie einem Schattenmann gegenüberstanden. Vielleicht nicht auf den ersten Blick - er war in den letzten Jahren besser darin geworden etwas anderes vorzutäuschen - aber wenn er sie zu nahe ließ sahen sie hinter seine Fassade. Und ihre Blicke die sie ihm dann zuwarfen - mal betreten, mal angewidert, hin und wieder mitleidig - erinnerten ihn nur selbst daran, dass er innen hohl war, ehe sie das Weite suchten. Sich nicht mit einem Schattenmann einlassen wollten. Als würde das Loch in ihm auch ihre Seelen holen können oder als könnten sie sich an seinen Rändern schneiden. Als wären Schmerz und Verlust ansteckend.

Vielleicht waren sie das tatsächlich.

Eine wirklich aufbauende Gesellschaft war er wohl kaum, dieser mühsam zusammengeklebte Jareth, der sich darum bemühte einen Lebenden zu spielen, darauf hoffend, dass er eines Tages wieder fühlen konnte was er bislang nur mimte.

Es war Themba zu verdanken, dass er es überhaupt noch versuchte. Ihm und Margaret und vielleicht auch den Kindern.
Trotz allem hatten sie ihn nicht aufgegeben - hatten mit ihm die Teile zusammengesucht, wenn er erneut zerfiel und ihm geholfen sie zusammenzusetzen, so gut sie konnten.

Doch auch sie konnten die Teile, die fehlten, nicht finden.
Niemand konnte das.
Und das musste er akzeptieren - oder aufgeben.

Wenn es nur um ihn gegangen wäre, hätte seine Entscheidung wohl anders ausgesehen. Aber es ging nicht um ihn. Es war viel zu lange um ihn gegangen.

Auch für ihn würde heute ein Zug in eine ungewisse Zukunft fahren.
Und er würde ihr alleine gegenüberstehen müssen.

Er fürchtete sich davor.

Sein Geist versuchte ein Bild davon zu beschwören, wie es sein würde. Wie sie reagieren würden. Edith...und die Kinder, die er genauso wenig erkennen würde, wie sie ihn.
War das wirklich die richtige Entscheidung?

Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob es nicht doch selbstsüchtig war. Ob er nicht insgeheim keineswegs nur ihretwillen zurückkehrte, sondern weil dies die einzige Hoffnung auf ein echtes Leben war, die ihm noch blieb.
Doch er hatte es gesehen, oder nicht? Was der Verlust mit einer Familie machte - und die Ungewissheit.
Auch er hatte das über die Menschen gebracht, die ihm das Wichtigste sein mussten - und anders als Themba hätte er eine andere Wahl gehabt. Hätte es besser machen können.

Himmel! Acht Jahre!

Aber er machte sich auch nichts vor: vor acht Jahren wäre sein Gift in jedem Fall auf sie übergesprungen.
Nein. Alles hatte seine Zeit.

Auch wenn er nicht der Jareth war, der 1944 in diesen Krieg aufbrach - er war auch nicht mehr der Jareth, der er 1945 gewesen war.

Und das zumindest war etwas Gutes.

"Du hast immer an die Hoffnung geglaubt, Siel..."

Seine Augen öffneten sich, sahen wieder auf das Dach und den Regen - und kurz konnte er sich einbilden in seinem Schatten den einer kleinen Gestalt zu erkennen, deren Pfoten lautlos über das Glas schritten.


[Lehnt an einem Pfeiler am Bahngleis | aktuell alleine]
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#18
Baldur hatte zumindest seinen übrigen Frust über die Konferenz still vor sich hin brodeln lassen, in dem Wissen, dass es automatisch abebben würde, sobald sie das Hotel verlassen hätten. Er hatte nicht vorgehabt, seinen neuen Assistenten nach noch nicht einmal einem Monat direkt damit zu konfrontieren, wie belastend der Job wirklich sein konnte. Dies war schon am zweiten von vier Konferenztagen hinfällig geworden.

Er hatte sich zusammengerissen bis Mr. Noyer ihn aufs Zimmer begleitet hatte und auf die Frage hin, ob er noch etwas brauche, war Baldur -- nicht der Frage wegen, sondern wegen der Tatsache, dass hinter ihm endlich die Tür ins Schloss gefallen war und keiner ihn hören würde -- der Kragen geplatzt.

"Ich gehe auf keine einzige beschissene Biologenkonferenz mehr, und ich wechsle mit diesen verfickten Arschlöchern kein Wort mehr!"

Und dann hatte er sich die Sonnenbrille vom Gesicht und die Krawatte (halb) vom Hals gerissen -- und dann einen tiefen Atemzug genommen.

"Danke, Mr. Noyer, ich brauche nichts mehr", bekam er mit einem etwas sanfteren Ton heraus. "Gute Nacht." Und ein Lächeln schaffte er auch noch.

Am nächsten Morgen hatte er sich wieder ins Gedächtnis gerufen gehabt, dass drei der "verfickten Arschlöcher" schon Artikel von ihm für eine Veröffentlichung zugelassen hatten, die andere nur über ihre Leichen in ihren Zeitschriften hätten haben wollen. Aber genau das war der Grund, warum er doch immer wieder auf diese Konferenzen ging. Irgendwo waren doch immer noch Wissenschaftler, denen etwas daran lag, neue Erkenntnisse zu zirkulieren und einen Diskurs zu schaffen und nicht nur möglichst viel Prestige für Dinge zu ernten, die andere vor ihnen schon hundert Mal aufgearbeitet hatten.

Aber Baldur kam es zumindest nicht so vor, als hätte das nun seinen Assistenten in die Flucht geschlagen. Und Tiamat hatte bestätigt, dass er angenehm unbeeindruckt von dem kleinen Aussetzer ausgesehen hatte. Wäre auch sehr schade drum -- Baldur hatte endlich das Gefühl, dass er jemanden gefunden hatte, der ihm wirklich behiflich sein konnte. Aus Erfahrung wusste er, dass nur Ihresgleichen denn Sinn seiner Arbeit verstehen würden. Und intuitiv hatte er gewusst, dass es höchstens eine Frage der Zeit gewesen war, bis er wieder auf jemanden treffen würde, der in demselben Feld dieselbe Arbeit verrichten wollen würde. Und der sich selbst in erster Linie als wissenschaftlichen Assistenten sah und nicht als Assistenten für einen Krüppel.

♦♦♦

In der einen Hand trug Baldur seinen Koffer, weshalb die andere in Mr. Noyers Armbeuge lag. Selbst mit Tiamats Hilfe und mit Stock hätte er sich an dem riesigen Bahnhof nur schlecht zurecht gefunden -- trotz, dass er zu dieser Uhrzeit lange nicht so geschäftig war, wie er es tagsüber sein musste.

"Vielen Dank", sagte er zu Mr. Noyer, ehe er sich auf die Bank setzte, die der Assistent ihm angezeigt hatte. "Bringen Sie mir einen etwas ... schwächeren, falls Sie einen finden." Die Amerikaner waren etwas großzügig mit dem Geschmack ihrer Kaffees, hatte er festgestellt.

Erst, als er auf der Bank saß, bemerkte er richtig, wie müde er eigentlich war und wie angespannt er die letzten Tage durchgehend gewesen war. Aber er würde einfach im Zug ein wenig schlafen. Die Notizen von der Konferenz würden nicht weglaufen.

Ein Gefühl drängte sich ihm auf. Keines das von ihm selbst kam, sondern von außen.

"Das ging jetzt aber schnell", sagte er, wohlwissend, wie es sich anfühlte, wenn Mr. Noyer in den Empfangsradius trat und wie es dementsprechend auch bei Prof. Delaney gewesen war.

Baldur ...

Noch während Tiamats Stimme in seinem Kopf erklang, wurde ihm klar, warum sich ihm das Gefühl so aufgedrängt hatte. Es war nicht Mr. Noyer.

Jetzt, da er wusste, was es war, aktivierte sich seine Wahrnehmung wie ein Knotenpunkt in einem Netzwerk. Sender. Empfänger. Signal. Sein Herz wurde schneller.

Es kommt von überall her.

Selbst Tiamat klang so, als wüsste sie nicht ganz, wie ihr geschah. Aber ihre Aussage bestätigte, was Baldur sich dachte. Trotzdem fiel es ihm schwer, aus dem -- mangels einer besseren Bezeichnung -- Rauschen klare Signale herauszufiltern. Noch nie hatte er überhaupt mehr als eines auf einmal gespürt.

Ich bilde mir das nicht ein, oder?, an Tiamat gerichtet.

Er rückte vor, ergriff die Lehne der Bank, als würde er im nächsten Moment sowohl aufspringen wollen als auch eine Stütze brauchen.

Wo kommt das her?!

{ spürt Aura der anderen Katori | am Bahngleis | Vincent ab, mit Tiamat (d) }
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#19
Jadiya war niemand, auf dem dauerhaft die Aufmerksamkeit liegen musste. Aber vollkommen ignoriert zu werden ging ihr doch gehörig gegen den Strich, nur konnte sie ihrem Frust nicht bei Dalvin Platz machen und wenn sie sich bei Anthonys beschwert hätte… er hatte sicher anderes im Kopf. Also bekam sie wieder keine Antwort auf ihre Frage, schnaufte nur lautlos darüber. Schön, dann würde sie eben einfach still neben dem Gefallenen stehen bleiben, darauf achten, dass der Fremde (oder sein unbekanntes Tier) keine falsche Bewegung machte. Die bunte Wölfin lauschte zwar den Worten des Fremden, kümmerte sich jedoch nicht groß darum. Bis er den Ort nannte, an den ihr Weg sie führen würde. Inebury.
Ohne dem Fremden noch einen Blick zuzuwerfen hob die Bunte den Kopf zu ihrem Begleiter, verfluchte ein weiteres Mal diesen Zustand, in dem sie ihm nicht beistehen konnte. Zumindest nicht so, wie sie es gern gewollt hätte.
Zwei Fremde Stimmen erklangen und Jadiya zuckte zusammen. Sie war so angespannt, dass sie den Mann nicht bemerkt hatte, bis er direkt vor ihnen stand und sich, wie seine Partnerin, zu Wort meldete. Anthony machte ihm Platz und auch wenn die Fähe in diesem Moment keinen festen Körper besaß, folgte sie seiner Bewegung ganz automatisch, blieb nah bei ihm.

„Seid ihr auch aus Inebury?“

Nachdem der eine Mann sie ignoriert hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit also jetzt auf die beiden Neuankömmlinge, auch wenn sie nur einen sehen konnte und ihre Worte sehr knapp gewählt waren. Nicht unfreundlich, ihre Stimme blieb ruhig und sanft, aber eben auch nicht mehr, als nötig war. Zwar antwortete sie nicht direkt auf ihre Frage, aber dass sie sie hören konnten würde wohl Antwort genug sein. Diese Fremden weckten zwar auch die Neugierde der bunten Wölfin, gleichzeitig aber auch eine gewisse Unruhe.
Durch die beiden neu zu ihnen gestoßenen war sie jedoch noch aufmerksamer als zuvor und so entging ihr nicht dieses erneute, leichte Kribbeln. Nur dieses Mal auf eine andere Art und Weise. Sie kannte dieses Gefühl, immerhin war es immer da, wenn Anthony in der Nähe. Nervös ließ die Fähe den Blick schweifen, aber es war niemand wirklich in ihrer Nähe.

„An… William.“

Ihre Stimme war deutlich leiser geworden, Unruhe und Sorge schwangen jedoch darin mit. Nicht, wegen einem anderen Gefallenen. Viel mehr wegen dem, was das in Anthony auslösen konnte, dem diese Aura sicher nicht entgangen war. Und so war es ihr egal, ob er wütend werden würde. Sie schob sich leicht hinter den Lockenkopf, materialisierte sich und warf dem zweiten Fremden einen aufmerksamen Blick zu. Den Ersten ignorierte sie nach wie vor. Ganz vorsichtig schob sie die Nase etwas nach vorn, berührte Anthony nun mit der Nase an der Hand. So gefiel es ihr viel besser. Und sie würde ihren Freund nicht allein stehen lassen im Angesicht von etwas, von dem sie wusste, wie sehr es ihn belastete.


[Bahnhof | Anthony, Vincent, Korah (d), Samuel & Nethaki (d) | Gegen Ende materialisiert]
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#20
Klack. Klack. Klack-Klack-Klack.
Sanft schlug der Stein gegen die kleinen durchsichtigen Perlen des Mala, während er es nervös in seiner Hand drehte.
Klack-Klack-Klack. Klack.

Hättest du die Güte damit aufzuhören? Meine eigenen Gedanken bestehen nur noch aus diesem Geräusch.

Taemin zuckte leicht zusammen und hielt seine linke Hand unter Zwang still.

Ich kann nicht anders. Ich bin besorgt“, nuschelte er leise vor sich hin, während seine dunklen Augen hinter den Brillengläsern einmal den Zug entlang und vorn an der Lokomotive hängen blieben. Stourbridge Lion. Erste Fahrt auf amerikanischen Boden am 8. August 1829. Schnelle Entwicklung der Dampflokomotiven über den ganzen nordamerikanischen Kontinent für die schnellere Fortbewegung. Seit einigen Jahren gab es Überlegungen die Dampflokomotiven durch billigere Alternativen abzulösen.

Hey, Sib. Wusstest du, dass allein in der USA täglich fast 400.000 Tonnen Kohle für den Zugverkehr verbraucht werden? Ich meine, wenn du einmal von der finanziellen Belast-

Schnarch. Hör auf abzulenken, Taemin. Überleg dir lieber, wie du an diesem dich sehr aufmerksam musternden Schaffner vorbei in den Zug kommst. Am besten bevor er wieder seeeeeeeehr langsaaaaaaam mit dir spricht.

Kurz blitzte die Erinnerung vor seinem geistigen Auge auf, als er versuchte auf eine höfliche Art und Weise in die zweite Klasse des Zuges zu gelangen. Er sah wieder, wie der uniformierte Mann ihn erst musterte, um ihn dann mit einer höflich-unwirschen Handbewegung und einigen gemurmelten Worten zu verscheuchen. Als Taemin erneut versuchte, ihm zu erklären, warum er in diesen Wagen musste, hatte sich ein leichter Rotton auf seine Wangen geschlichen und er hatte ihm sehr langsam und Wort für Wort genau noch einmal das Gleiche erklärt. Nämlich, dass er in der zweiten Klasse nichts zu suchen hatte.

Ich hätte ihm vielleicht nicht sagen sollen, dass ich ihn in mehreren Sprachen verstehen würde, ohne dass er langsam, wie mit einem Minderbemittelten mit mir spricht.

Ein leises Lachen in Taemins Kopf war die Antwort und das kleine Eichhörnchen schaute aus der Tasche seines Mantels heraus. Während es sich übers Gesicht strich, blieben die kleinen Knopfaugen an dem Schaffner hängen.

Ich hätte wetten können, dass er, so rot und wütend, wie er war dich ‚Reisfresser‘ nennen und dir mit einer Tracht Prügel drohen würde, wenn du nicht verschwindest. Ich bin ein wenig enttäuscht ob seiner Selbstbeherrschung.

Apropos, wusstest du, dass Reisfr-

Taemin.

Nur sein Name und der junge Mann wusste, dass er keine Zeit mehr schinden durfte. Warum nur, musste er mit diesem inkompetenten Mann zu der Auktion reisen? Wäre er allein unterwegs gewesen, dann wäre es so viel einfacher. Und er müsste sich nun nicht bemühen, in die zweite Klasse zu gelangen, um mit seinem Chef zu sprechen.
Er stieß einen leisen Seufzer aus, stieß noch einmal eine Glasperle in seiner Hand an, bevor sein Blick zum Schaffner glitt. Und als würde das Universum sagen wollen, dass jetzt seine Zeit gekommen war, sah er, wie der Bahnmitarbeiter einer älteren, natürlich weißen Dame dabei half, sich zurechtzufinden. Der aufmerksame Blick war damit von ihm abgewandt und er konnte es wagen, das Abteil von Robert Robinson – ein leises, abfälliges Schnauben – zu suchen. Dass er dabei vermutlich von allen Männern und Frauen im Wagon angestarrt werden würde, versuchte er an dieser Stelle zu ignorieren. Der Gedanke an die Aufmerksamkeit ließ ihn fast wieder nervös mit dem Mala spielen.
Mit schnellen Schritten und so unauffällig, wie es ihm als anders aussehender Mann möglich war, huschte er zur Tür des Wagens, trat auf die Stufe, um sich in den Zug zu hieven und fiel gleich darauf rückwärts wieder aus der Tür hinaus. Schnell fand er sein Gleichgewicht wieder, musste aber gleichzeitig einen Fluch unterdrucken. Das schien dann wohl der Wink des Universums zu sein, dass er nicht in die zweite Klasse vorpreschen durfte.
Er sah auf und erkannte eine junge Frau in einer schwarzen Bluse und einem schwarzweißen Rock.

Hübsch.

Die Stimme in seinem Kopf war keine Hilfe und er versuchte, nicht die Augen zu verdrehen, weil er wusste, dass Sibérie es nicht dabei belassen würde.

Nach Menschenart, versteht sich. Bezirz sie ein wenig. Vielleicht hilft sie uns dann.

Ja. Genau so etwas hatte er erwartet. Mit einem strafenden Blick zu seiner Manteltasche – der natürlich ignoriert wurde – klopft er sich kurz ab und neigte dann leicht den Kopf vor der jungen Frau.

Ich bitte vielmals um Verzeihung.

[Bahnhof | so gut wie im Zug, dann natürlich doch nicht | Reylan und Sibérie]
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