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Es ist: 16.05.2024, 09:19


After all that we survived
#1


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Müde rieb Dalvin sich mit der freien, rechten Hand über das Gesicht, in der linken Hand eine beinahe leere Tasse Kaffee. Irgendwer war wach, er hörte manchmal Stimmen, Schritte. Zumindest glaubte er das, es hätte den Iren jedoch auch nicht gewundert, wenn ihm sein paranoider Geist einfach hin und wieder einen Streich spielte. Noch war er jedenfalls allein, saß auf der Bank auf der Veranda und betrachtete den wolkigen Aprilhimmel. Seine Nacht war kurz gewesen, der Kaffee wollte auch nicht so wirklich helfen und in seinem wirren Kopf drehten sich die Gedanken zum immer selben Lied im Kreis. Manchmal sprangen sie auch hoch, aber der Kern des Ganzen blieb gleich. Eine Flucht. Eine Flucht vor der Regierung. Wie Kriminelle. Verurteilt für ein Verbrechen, das niemand von ihnen begangen hatte oder eine Eigenschaft die sie zu etwas Besonderem machte. Oder was auch immer. Also eine Flucht nach... wohin auch immer. Er hatte nichts gegen ein anderes Land, wohin es sie auch führen würde, trotzdem fühlte sich der Gedanke irgendwie… falsch an. Er hatte sich hier ein neues Leben aufbauen wollen, fern der Heimat. Zumindest so lang, bis er sich bereit fühlte, in sein Heimatland zurück zu kehren, wann auch immer dieser Punkt erreicht gewesen wäre. Aber was blieb ihnen für eine andere Möglichkeit? Hier waren sie vorerst nicht sicher und Dalvin wollte nicht riskieren, dass noch Jemand von ihnen erschossen wurde. Liliths Verlust lastete schon auf seinen Schultern, das reichte aus.
Ein leises Seufzen drang über die Lippen des Iren, als er für zwei Herzschläge die Augen schloss und den blauen Blick dann wieder schweifen ließ. Jadiya war noch irgendwo im Keller und schlief, zumindest hörte der Dunkelhaarige in seinem Kopf nichts widersprüchliches. Ein Glück für das Kaninchen, das vor wenigen Minuten an ihm vorbei gehoppelt war. Wenn die Fähe schon wach war, hatte sie sowieso eine andere Beschäftigung als sich am frühen Morgen schon um Frühstück zu kümmern. Ein kurzes Schmunzeln huschte über die Lippen des Mannes bei dem Bild vor seinen Augen, wie die Wölfin um ihre eigentliche, wichtigste Beute herum schlich, bis diese aufwachte. Da konnte kein Löffelohr der Welt mithalten.
Aber auch dieses kurze Abschweifen half ihm bei seinem Gedankenchaos nicht weiter. Was war richtig, was war falsch? Sie waren der Regierung nicht gewachsen, vor allem, wenn ihnen Mord vorgeworfen wurde. Sie waren geflohen, nachdem sie gefoltert worden waren, und machten sich damit vermutlich in deren Augen nur noch verdächtiger. Also… hatten sie irgendwie doch nicht so wirklich eine andere Wahl. Ein erneutes Seufzen, dann fuhr Dalvin sich in einer leicht verzweifelten Geste durch die braunen Haare. Sie mussten gemeinsam entscheiden – und irgendwie war dem Iren bewusst, wofür sie sich entscheiden würden. Was das Ganze nicht leichter machte, aber… irgendetwas mussten sie tun. Und herum sitzen und Däumchen drehen war keine Option. Also… Dalvin lehnte sich zurück, blickte wieder in den Himmel, als könne er dort eine Antwort finden, irgendetwas, was es ihm leichter machte. Bewusst mied er den Blick zu seiner linken Hand, zu dem Finger, an dem das Metall des Rings zu glühen schien. Irgendwie war ihm das Ziehen in seinem Fuß dagegen eine willkommene Ablenkung. Immerhin würde dieser Schmerz irgendwann vergehen.
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#2


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Er hatte so getan, als würde er schlafen, als ihm die Nase der Wölfin das erste Mal prüfend ins Gesicht gepustet hatte. Allerdings war er entweder sehr überzeugend gewesen oder Jadiya hatte einfach akzeptiert, dass er noch keine Kraft hatte, sich mit der grausamen Realität zu befassen, in der sie sich noch immer befanden. Er wollte nichts davon sehen, sich nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen. Er sehnte sich nach einer Pause. Einem Hauch von Sicherheit, und war er noch so trügerisch. Leider half es nichts, die Augen zu verschließen. Die Gedanken blieben und hielten ihn wach, so sehr er auch versuchte, sie von sich zu schieben. Er wusste, dass niemand eine Entscheidung von ihm erwartete und doch hatte er irgendwie das Gefühl, die Verantwortung dafür übernehmen zu müssen. Am liebsten hätte er sich enthalten und wäre blind der Mehrheit hinterher gelaufen. Doch er hatte sie erst hierher gebracht. Enthaltung war für ihn keine Option. Was hätte er jetzt für Faiths Rat getan? Sie hätte gewusst, was Richtig war. Wenn es überhaupt ein Richtig gab in ihrer Situation. Doch eines war klar: Sie mussten hier weg. Mit jedem Tag, den sie länger blieben, wurde das Risiko größer. Für sie, für Maggy. Sie mussten gehen. Raus aus Hanya, raus aus Angen. Kostete es, was es wollte.
 
Anthony seufzte. Nicht wie jemand, der gerade wach geworden war, sondern wie jemand, dessen Gedanken sich allmählich zu lange im Kreis gedreht hatten. Er konnte sich davor nicht verstecken. Weder vor seinen eigenen Gedanken, noch vor den anderen, die in Maggys Hütte Unterschlupf gefunden hatten. Er brauchte Kraft – zumindest äußerlich – damit die anderen die Hoffnung nicht verloren. Maskieren, Funktionieren. Das waren alles Dinge, in denen er eigentlich geübt war. Seit wenigstens sein Arm nicht mehr ganz so schmerzhaft pochte wie die letzten Tage, fiel es ihm immerhin wieder leichter, zumindest ein vorgetäuschtes Lächeln aufzusetzen.
 
„Na, Prinzessin?“, lächelte er leise auf das kurze Winseln hin, das in der Nähe seines Kopfes erklang.
 
Mit einem erstickten Stöhnen richtete er sich auf und fuhr der Wölfin kurz über den Kopf, ehe er sich nach seinem Hemd streckte und es vorsichtig anzog. Es ging zunehmend besser, auch wenn er den linken Arm noch immer so gut wie möglich schonte. So leise wie möglich zog er auch den Rest seiner Kleidung an und erhob sich von der ungemütlichen provisorischen Pritsche, um sich nach oben zu begeben. Er hielt Jadiya die Kellertür auf und überließ ihr den Vortritt, ehe er sie leise wieder hinter sich schloss. Die Kaffeekanne in der Küche verriet, dass er nicht der erste war, der wach war. Irgendwo im Haus hörte man Stimmen, doch Anthony war ganz froh, dass er keinem von ihnen so direkt begegnete, dass ein Gespräch entstanden wäre. Gedankenverloren fischte er sich eine Tasse aus dem Schrank und goss sich einen Schluck Kaffee ein, ehe er den Blick der Bunten auffing, die mit Sicherheit nach draußen musste.
 
„Na komm, ich lass dich raus.“
 
Mit dem Kaffee bewaffnet trat er an die Tür zur Veranda und ließ die Wölfin raus. Überrascht hielt er inne, als er eine Gestalt erblickte. Er war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass sich auch dorthin jemand zurückgezogen hatte, doch allmählich fiel ihnen allen die Decke auf den Kopf. Die frische Morgenluft war kühl und trug den Frühling in sich. Fast schon höhnisch.
 
„Versteckst du dich hier vor den anderen?“, fragte Thony und prostete dem Älteren kurzerhand mit seinem Kaffee zu, ehe er die Tür langsam hinter sich schloss. „Wenn es ein gutes Versteck ist, würde ich es gern mitnutzen, bis ich wach bin.“
 
Bereit war wohl das treffendere Wort. Bereit für Diskussionen, Fragen, Entscheidungen. Heidi würde gegen Nachmittag zurückkommen. Bis dahin würden sie sich entschieden haben müssen. Und packen.
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#3


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Jadiya wartete geduldig. Zwar ließ sie den ‘Schlafenden‘ kaum aus den Augen, aber sie blieb vor der Pritsche sitzen. In manchen Momenten überlegte sie zwar, sich einfach so auf ihn drauf zu schmeißen, aber sie war ja gutherzig und würde damit warten, bis er wirklich wach war. Irgendwann erklang Anthonys Stimme, zwar leise, aber für sie dennoch gut hörbar. Eigentlich wollte die Fähe damit zum Sprung ansetzen, beließ es aber bei einem freudigen Wedeln der Rute. Den anderen Katori gegenüber, die sich noch ausruhten. Der Lockenkopf zog sich an und nach einem weiteren, auffordernden Fiepen machte er sich auf den Weg, hielt die Tür auf und nach wenigen Schritten streckte die Wölfin sich ausgiebig. Während der Mann sich Kaffee besorgte, schnupperte die Bunte in der Luft, tastete vorsichtig nach dem Verstand ihres Partners, der aber noch genauso müde klang wie Anthony aussah. Sie verstand, was den Beiden durch den Kopf gehen musste… aber hätte sie die Möglichkeit dazu gehabt, hätte sie sie vermutlich an irgendein Bett gekettet, damit sie sich endlich einmal ausruhten. Jadiyas orange Augen ruhten noch einige Momente auf Anthony, bis dieser die Tür öffnete, die für sie eigentlich kein Hindernis war, ehe sie nach draußen huschte, Dalvin nur einen kurzen, vorwurfsvollen Blick zu warf und dann, ohne sich weiter um die beiden Männer zu kümmern, der Fährte eines Kaninchens hinterher warf.

Dalvin haderte mit sich, schwenkte dabei mit grüblerischer Miene die beinahe leere Tasse etwas hin und her. Er hätte sie zu gern aufgefüllt, aber irgendwie überwogen die Gründe, die dagegen sprachen. Seine Schlücke wurden also kleiner, um das Unausweichliche hinaus zu zögern. Vielleicht kam ja eine gute Seele um die Ecke und brachte ihm eine frisch gefüllte Tasse? Gerade hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, als etwas anderes aus dem Haus heraus sprang, seine Enttäuschung über die weitere Kaffeelosigkeit mit einem bösen Blick kommentierte und dann davon sprang. Irgendwie hatte der Ire erwartet, dass die Fähe die Tür selbst geöffnet hatte – wie sie es so oft tat, wenn ihr eine geschlossene Tür nicht passte und zwischen ihr und… etwas Leckerem stand.
Einen Moment wurde der blaue Blick des Mannes also etwas überrascht, als er eine vertraute Stimme wahrnahm. Natürlich, was hatte er auch erwartete. Als ob die Wölfin von Anthonys Seite weichen würde, bevor diese sich aus seinem Bett erhoben hatte. So groß konnte ihr Hunger gar nicht sein.

Dich habe ich jeden Tag um mich herum, ihn nicht.
… du hast ihn seit… Monaten... Fast jeden Tag in deiner Nähe?
Das ist etwas ganz anderes!
Achso.


Dalvin seufzte, bevor ihm der Gedanke kam, sich zu Anthony herum zu drehen. Seine Worte waren schon einige Momente her, was der Braunhaarige mit einem entschuldigenden Lächeln kommentierte und noch einen weiteren Moment genau überlegte, was der Jüngere gesagt hatte. Und dann verzog er in einer gespielt beleidigten Miene das Gesicht. War ihm bewusst, dass er seine eigene Frage irgendwie… außer Kraft gesetzt hatte? Vielleicht war er dafür aber auch einfach noch zu müde. Wer wusste schon, wie lange Jadiya ihn schon wach gehalten hatte.

„Ich fürchte, dass du mich gefunden hast, ist ein Beweis dafür, dass es kein gutes Versteck ist. Aber wenn du mit einem halbwegs annehmbaren Versteck leben kannst – nur zu.“

Er erwiderte die Geste seines Freundes, prostete ihm zu und erinnerte sich damit selbst an sein kleines Kaffeedilemma. Wenn er es geschickt anstellte, vielleicht konnte er ihm die fast leere Tasse unterschieben.

„Erwarte aber nicht, dass ich viel wacher bin. Und der kleine Schoßhund hat ein Kaninchen in der Nase, du bist also in bester Gesellschaft.“

Jadiya antwortete ihm nur mit einem leisen Brummen in seinem Verstand, was Dalvin ein leises, dumpfes Lachen entlockte.

„Und ich bin mir sicher, das würde sie nicht einmal mit dir teilen.“
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#4


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Vermutlich hätte er gelacht, hätte er um die Gedanken des Braunhaarigen gewusst, als er aus der Tür trat. Vermutlich hätten sie beide gelacht, hätte der Zufall ihn zu einer Kaffee-Fee gemacht, der genau im richtigen Moment mit einer frischen Tasse erschien, als die Not des anderen am Größten war. Leider war aber keinem von ihnen beiden zum Lachen und Dalvins Gedanken verschwanden ungehört und ohne Honorierung irgendwo im dunklen Strudel. Dalvin wirkte so verloren, wie Anthony sich fühlte. Und obwohl sein Freund mit Abstand die größte Herausforderung diesbezüglich war, versuchte sich der ältere Rothwell direkt an seinem Vorsatz, stark zu sein. Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen. Den anderen die Last von den Schultern nehmen, damit sie endlich wieder atmen konnten. Auch, wenn Thony wusste, dass sie damit erst wieder beginnen würden, wenn sie wirklich in Sicherheit waren. Aber gab es die überhaupt noch? Sicherheit für Menschen, die des Mordes beschuldigt wurden? Menschen, die inzwischen vermutlich dank des Ausbruchs auch Mörder waren?
 
Die Bewegung des Älteren riss ihn aus den Gedanken. Zum Glück, konnte man meinen, doch sie waren in den letzten Tagen so sehr zu einem Teil von ihm geworden, dass es ihm nicht einmal mehr bewusst auffiel. Aber so ging es ihnen wohl allen mit dem Damokles-Schwert, das über ihren Köpfen kreiste. Immerhin hatten die Seelentiere in den letzten Tagen keine Auffälligkeiten rund um die Hütte festgestellt. Trotzdem: Sie mussten weg. Untertauchen.
 
„Ich habe nicht gesucht.“, meinte er und zog kurz die Schultern hoch. Vielleicht machte das das Versteck ja wieder besser, weil es eines von denen war, die man übersah, wenn man gezielt suchte. Wie die Geldbörse, die auf magische Weise wieder auftauchte, kaum dass man sich damit abgefunden hatte, dass sie wohl verschwunden war. „Ich erwarte zur Zeit gar nichts.“, fügte er mit einem freudlosen Lächeln an.
 
Keiner der beiden Männer führte die Tasse nach ihrer Geste an den Mund. Irgendwie war es für Thony zu einem Morgenritual geworden. Eine Kaffeetasse in der Hand, sie hier und da wichtig in die Richtung eines anderen hebend, um bei nonverbaler Kommunikation zu bleiben, nur um irgendwann festzustellen, dass sie noch immer voll war. Und kalt.
 
„Mit dir auch nicht.“, gab er den freundschaftlichen Seitenhieb nüchtern zurück und warf dem Dunkelhaarigen einen ‚damit müssen wir uns beide abfinden‘-Blick zu. Aber vermutlich war weder Dalvin noch Thony nach rohem Kaninchen zum Frühstück. Jadiyas Glück.
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#5


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Dalvins blaue Augen ruhten auf dem Jüngeren. Er musste nicht auf dem Gesicht seines Freundes nach Anzeichen suchen, dass dieser grübelte, darüber nachdachte, was ihre nächsten Schritte sein würden. Er hätte Anthony dafür nicht einmal sehen müssen. Vermutlich kreisten im Kopf des Lockenkopfes genau die selben Gedanken wie es bei dem Iren selbst der Fall war. Bei den Anderen war die Wahrscheinlichkeit vermutlich auch sehr hoch, auch wenn manch einer von ihnen damit sicher lockerer umging. Aber sie wurden nicht alle ausgequetscht und gefoltert – was absolut ihr Glück war. Umso einiger waren sich vermutlich die Betroffenen, dass sie nicht hier bleiben konnte. Hier, wo man sie so einfach finden konnte. Wo sie ein einfaches Ziel für Anschuldigungen waren, während sie einer Übermacht gegenüber standen.

„Macht es irgendwie nicht besser, wenn man so einfach gefunden wird, ohne dass Jemand gesucht hat.“

Die Mundwinkel des Dunkelhaarigen zuckten kurz bei seinen Worten, brachten jedoch kein vollwertiges Lächeln zu Stande. Vor allem nicht bei den Worten, die der Jüngere noch anfügte. Es klang verbittert, aber vermutlich war das im Moment das Beste, was sie tun konnten. Nichts erwarten um von nichts überrascht zu werden. Er nickte also nur als Zustimmung, es gab nichts, womit er diese Worte beschönigen konnte. Nichts zum Aufmuntern. Sie mussten sich irgendwie durch beißen. Hoffen, dass die Sonne bald wieder aufging. Ob sie wohl irgendwann in ihr altes Leben zurück kehren würden? In keines, das frei von Schmerz war, immerhin wussten sie beide, dass die Zeit manche Wunden nicht heilen konnte, aber… vielleicht in ein Leben, in dem sie sich wieder frei bewegen konnten?
Die Antwort Anthonys entlockte dem Iren ein leises Schnaufen, womit er die Geste des Mannes erwiderte und kurz mit den Schultern zuckte. Jadiya war einer dieser kleinen Hoffnungsschimmer, die ihn an eine Zukunft glauben ließen. Er war froh darüber, dass die Wölfin sich solch eine Mühe gab – nicht nur für ihn. Die Partnerin des Jüngeren war nicht hier, würde es nie wieder sein, also hatte die Buntes sich zur Aufgabe gemacht, an Faiths Stelle auf ihn aufzupassen.

„Es ist so ruhig. Fühlt sich irgendwie wie das Auge des Sturms an.“

Nach all dem, was hinter ihnen lag. Und dem, was sie noch erwartete. Mit diesen Worten leerte er seine Tasse, behielt das leere Gefäß jedoch in der Hand und richtete den hellen Blick nach vorn, zu der Wölfin, die mit schwingender Rute durch das Gebüsch schlenderte, die Nase dabei stets direkt über dem Boden. Sie würde mit ihm gehen, egal, wohin er ging. Auch, wenn der Ire sich das ein oder andere Mal bei dem Gedanken erwischt hatte, sie bei Reylan zu lassen. Damit sie beide in Sicherheit waren. Aber vermutlich hätte Jadiya ihm ins Bein gebissen, während seine Schwester ihm den Arm gebrochen hätte, wenn er den Beiden diesen Vorschlag gemacht hätte. Er hatte das Ganze also mit einem Seufzen wieder verworfen.
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#6


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Touché. Trotzdem verzog Anthony nur die Lippen. War es überhaupt ein Finden, wenn man nicht suchte? Oder war es nicht mehr als belangloser Zufall? Ein zufälliges Treffen, dass mit einem grüßenden Kopfnicken abhandelt war, als würden sich zwei Fremde auf der Straße begegnen. Wäre es nicht ausgerechnet Dalvin gewesen, der auf der Veranda seinen Gedanken nachhing, wäre die Wahrscheinlichkeit nicht einmal so gering gewesen, dass er es wirklich so gehandhabt hätte. Doch Dalvin hatte mehr verdient. Während er dem Rest die Enttäuschung förmlich vom Gesicht ablesen konnte, hatte der Braunhaarige ihn diesbezüglich im Stich gelassen. Egal, wie sehr Anthony in seinen Augen gesucht hatte, was er glaubte, dort sehen zu müssen - Da war Verständnis gewesen. Keine Schuldzuteilung. Und irgendwann hatte sich der Jüngere eben damit abfinden müssen, dass seine Selbstenttäuschung nicht zwangsläufig bedeutete, dass alle es so sahen. Seine Bereitschaft, seinen Freund also nicht einfach mit nonverbalen Gesten abzuspeisen, war ein Vertrauensbeweis. Einer von denen, die unbewusst existierten. Einer von denen, die man nicht ansprechen musste.
 
„Hoffen wir einfach, dass uns weder jemand in den nächsten zehn Minuten sucht, noch findet.“, bot er eine Einigung an.
 
Wenigstens hatte Thony in Begleitung des Iren nicht ganz so sehr das Gefühl, sich verstellen zu müssen. Er tat es trotzdem, weil es antrainiertes Verhalten war. Weil er es immer getan hatte, seit Faith nicht mehr da war und es umso notweniger fand, seit Keylam wieder um ihn herum war. Doch er musste ihm keine gute Laune vorgaukeln, wo keine war. Er musste keine falsche Zuversicht leben, wo sie alle doch wussten, wie prekär ihre Situation war. Die Ruhe vor dem Sturm. Auf der Stirn des Dunkelhaarigen zeichneten sich nachdenkliche Falten ab. Zustimmung, die Dalvin mit Sicherheit verstand, ohne dass er sie wirklich aussprechen musste. Sein Blick folgte kurz der Wölfin, ehe er über die Ländereien schweifte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde der Gedanke deutlicher, dass sie hier fort mussten. So schnell wie möglich. Bevor man Maggy wirklich noch etwas anlasten konnte.
 
„Viel mehr Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen, dürfen wir uns auch nicht leisten.“ Angespannt atmete er aus, ohne den Blick des Älteren aufzufangen. „Und da wir keinen besseren Plan haben, sollten wir vielleicht ein letztes Mal die Hand nehmen, die man uns reicht. Sie haben ihr Leben schon einmal für uns riskiert und es wäre beinahe schief gelaufen.“
 
Sie mussten diesem Parker nicht vertrauen, aber Fakt war, dass er keinen Grund gehabt hätte, ihnen noch einmal zu helfen. Es war zumindest eine Schuld weniger, zu wissen, dass seine Partnerin und er überlebt hatten. Dass sie ihr Leben nun ein weiteres Mal für sie aufs Spiel setzen wollten – Anthony verstand nicht, wieso. Aber sie waren im Augenblick auch nicht zwingend in der Position, Fragen zu stellen und Hilfe auszuschlagen.
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#7


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Auf die letzten Worte Anthonys schwenkte Dalvin nur ein wenig die leere Tasse, die er nach wie vor in der Hand hielt. Er wäre tatsächlich nicht böse darüber, wenn sie unter sich blieben. Nicht, dass er groß ein Problem mit den anderen Katori gehabt hätte, aber die Gesellschaft des Lockenkopfes war immer eine besondere, er war genauso Familie wie seine Schwester, die vermutlich noch im Reich der Träume war. Auch sie hatte einiges eingesteckt – und wer wusste schon, wann sie das nächste Mal zur Ruhe kommen würden? Dem Schwenken der Tasse folgte also ein leichtes, abschließendes Nicken. Das war ein guter Deal, mit dem sie wohl beide gut leben konnten. Und dieses Thema weiter zu vertiefen hätte sich falsch angefühlt, als wolle er nur das Offensichtliche umgehen. Und sie wussten beide, dass es sie irgendwann einholen würde. Vermutlich sogar früher als später. Auch wenn weder Dalvin selbst noch Anthony sonderlich erpicht darauf waren, sich mit all dem auseinander zu setzen. Es gab deutlich schönere Themen. Diese schienen aber mit jedem Herzschlag in weitere Ferne zu rücken.
Die hellen Augen des Iren richteten sich kurz auf den anderen Mann, musterten ihn kurz, ehe sein Blick dem seinen folgte, hinaus auf die Landschaft, um Augenwinkel Jadiya, die mit noch immer pendelnder Rute eine Spur verfolgte. Die Worte, die sein Freund dann an ihn richtete, ließen den Dunkelhaarigen tief durchatmen. Wahre Worte, auch wenn er sie am liebsten nicht gehört hätte. Aber es blieb ihnen nichts anderes übrig.

„Was soll schon schiefgehen?“ Einen Moment lang zog sich ein etwas verbittertes Lächeln auf die Lippen des Mannes, woraufhin er die Augen schloss, einige Momente so verharrte, um dann wieder Jadiya anzublicken und fort zu fahren. „Was haben wir schon für eine andere Möglichkeit? Ich hoffe nur, wir können die Anderen raus halten, die mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.“

Dalvins Stimme war kaum lauter als ein Flüstern, trotzdem gut genug für den Anderen zu hören. Seine blauen Augen ruhten dabei auf Jadiya, die inzwischen vor einem Gebüsch saß und überaus interessiert hinein starrte. Sie zählte zu denen, die er aus dieser Sache heraus halten wollte. Sie war schon in Gefahr gewesen. Gleichzeitig wollte er kaum Jemanden wie die Wölfin an seiner Seite wissen. Und er war sich sehr sicher, dass sie auch nicht von dieser weichen würde.

„Konntest du denn wenigstens ein bisschen schlafen? Oder hattest du eine feuchte Prinzessinnenzunge im Gesicht?“

Kein Ausweichen von einem Thema, das ihnen beiden vermutlich nicht lag. Ehrliches Interesse lag in seiner Stimme. Sie schlaflosen Nächte würden für sie beide wohl in nächster Zeit zur Gewohnheit werden. Wie gut, dass sie sich damit beide so gut auskannten. Nur ein weiterer, verbitterter Gedanke.
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#8


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Was sollte schon schief gehen? Thony musste den Kopf nicht drehen, um das verbitterte Lächeln auf Dalvins Lippen sehen zu können. Seine Mundwinkel zuckten nichtssagend, doch das Seufzen, dass über seine Lippen glitt, zeugte ziemlich eindeutig davon, dass der Ire recht hatte. Ihnen beiden wären vermutlich unendlich viele Dinge eingefallen, die schiefgehen konnten, doch die Alternative fehlte ihnen. Sie hatten keine andere Wahl – zumindest keine, die nicht das gleiche Risiko bot, wie die Möglichkeit, die Hilfe eines Menschen anzunehmen, der die Regierung besser kannte als sie selbst. Eines Menschen, der ebenso wie sie auf der Flucht war. Das nahm Thony zumindest an – nicht nur, weil Heidi das hatte durchblicken lassen. Er hätte sie auch für sein eigenes Wohl ans Messer verraten können, doch dann hätte ihm all das Risiko ihrer Flucht absolut nichts gebracht als Ärger. Anthony kannte diesen Parker nicht bis auf die wenigen Minuten ihrer Flucht. Aber er kannte Soldaten. Und er wusste, dass es nicht vieles gab, das einen dazu bewog, sich gegen seine eigenen Männer zu stellen.

„Das werden wir.“, entgegnete der Lockenkopf auf die besorgten Worte des Älteren. Wenn er etwas durchsetzen würde, dann, dass sich nicht wieder jemand unnötig in Gefahr brachte, der sich der Konsequenzen nicht bewusst war. Wer nicht fliehen musste, würde nicht fliehen. Auch, wenn sie vermutlich dennoch auf ihre Hilfe angewiesen waren – so sehr es ihm auch missfiel, sich das eingestehen zu müssen. „Wir haben genug Leben riskiert, die wir nicht hätten riskieren müssen.“

Ich meinte er mit diesem Wir, doch er wusste, dass Dalvin das nicht akzeptiert hätte. Vermeidungstaktik. Davon verstand Thony bereits seit dem Krieg einiges und die Ausnahmesituation, in der sie sich wieder befanden, hatte erstaunlich viel Ähnlichkeit damit.

„Sie war anständig.“, nahm er das eingeschobene Thema dankbar und bereitwillig auf. „Anständiger als sonst jedenfalls.“ Ein sachtes Lächeln huschte über seine Lippen, ehe er kurz erst aus einem, dann aus dem anderen Pantoffel schlüpfte und seine bekleideten Zehen präsentierte. „Sie hat mir sogar beide Strümpfe gelassen für heute.“
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#9


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Dalvin hörte das Seufzen seines Freundes, reagierte aber nicht groß darauf. Es war in dieser Welt nicht auf viel Verlass – auf den Lockenkopf konnte er sich jedoch jederzeit verlassen. Sie mussten dazu nicht immer einer Meinung sein, aber wenn es, wie in solchen Momenten um etwas Wichtiges ging, konnten sie aufeinander zählen. Und so war der Ire sich sehr sicher, dass sie beide das Selbe über dieses Vorhaben dachten. Und zu dem Schluss kamen, dass sie keine andere Möglichkeit hatten. Die Antwort des Jüngeren entlockte dem Mann erneut ein sachtes Nicken. Er hoffte es für den Rest, dass sie einfach nicht weiter in diese Sache hinein gezogen wurden. Nicht nur für Dalvin ging es um den Rest seiner Familie, um Menschen, die ihm so viel bedeuteten.

„Leben riskiert? Mutige Worte für einen gesuchten Mörder.“

Galgenhumor, der einzige Weg, irgendwie mit dieser ganzen Situation umzugehen. Es war so absurd, diese Worte auszusprechen, vollkommen surreal. Niemand von denen, die sie ‚verhört‘ hatten, wäre in der Lage gewesen, einen Mord zu begehen. Und trotzdem saßen sie nun hier, mussten darüber nachdenken, wie sie all dem entkommen konnten. Der Dunkelhaarige schüttelte leicht den Kopf, wurde dann von der Bewegung der Füße des anderen Mannes abgelenkt. Ein skeptischer Blick, ehe er die blauen Augen zu Anthony selbst hob, den Ansatz eines amüsierten Lächelns auf den Lippen.

„Sag’ das nicht zu laut, sonst schmeißt sie dich noch um und entledigt dich auch direkt deiner Schuhe.“

Mit diesen Worten drehte Dalvin den Kopf leicht zur Seite, betrachtete die Fähe, die sich gerade nur wenige Meter von ihnen entfernt auf den Bauch legte, einen recht dicken Stock zwischen den Zähnen, an dem sie unbeteiligt herum kaute. Die orangen Augen dabei auf die beiden Männer gerichtet.

„Dass du überhaupt noch Socken hast, die frei von Löchern sind, ist schon irgendwie eine Glanzleistung.“
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#10


After all that we survived
   Dalvin Crown   Anthony Rothwell
am 03.04.1953


Nur aus dem Augenwinkel nahm Thony das Nicken wahr. In ihrer momentanen Lage war ihm oftmals danach, keinen direkten Blickkontakt zu suchen, als würde es verhindern, dass die Leute sahen, wie es ihm wirklich ging. Eine Empfindung bloß, denn dem Lockenkopf war durchaus bewusst, dass sie alle kaum mehr wussten, wie sie atmen sollten unter all der Last, die sie auf den Schultern trugen. Last, die sowohl Dalvin als auch er trugen – Last, die sie alle zu Boden drückte und trotz der vielen Schultern kein bisschen leichter wurde. Anthony wusste, dass er die Worte seines Freundes anders zu nehmen hatte, als es ihm seine Psyche gerade vorspielte und trotzdem schnürten sie ihm unangenehm den Hals zu. Er überspielte es mit einem Räuspern, um den Kloß aus dem Hals zu bekommen, doch die Enge in seiner Brust blieb und erinnerte ihn unangenehm lebhaft daran, dass der Zynismus in den Worten seines Freundes mehr Wahrheit beinhaltete, als ihm lieb war. Nicht, weil er glaubte, dass es wirklich unmachbar war, die anderen nun möglichst aus dem, was da auf sie zukam, herauszuhalten – sondern weil das Wort Mörder sich trotz all des Sarkasmus‘ gerechtfertigt anfühlte. Er war ein Mörder. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Elise auf dem Gewissen hatte, war groß. Mochte sein, dass sie nicht durch seine Hand gestorben war – aber durch ihn. Durch seine Bereitwilligkeit, ihr in solch einer riskanten Sache beizustehen und sie sogar noch zu unterstützen. Und Lilith? Auch sie war aufgrund seiner Entscheidungen gestorben. Sauda und sie hatten nicht mal ein Begräbnis bekommen. Zurückgelassen und eines Tages vergessen auf einem Schlachtfeld, auf dem sie nicht hätten stehen müssen. Er bemühte sich um ein schwaches Lächeln, um die Worte seines Gegenübers etwas zu entkräftigen. Seine Mundwinkel gaukelten ihm vor, darin nicht gänzlich zu versagen.
 
Der Umschwung zu alltäglicheren Themen kam ihm ganz gelegen, auch wenn es schwer war, irgendetwas zu finden, was gerade keinen Gedanken an ihren Zustand zuließ. Er lachte leise bei der Vorstellung, dass Jadiya ihm bald noch das verbliebene Paar Schuhe abnehmen würde, hoffte glaubte aber, sich darum eigentlich nicht fürchten zu müssen. Auch die Wölfin wusste um ihre begrenzten Ressourcen, seid ihnen die Hände gebunden waren und ihre Wohnungen überwacht wurden.
 
„Allzu viele habe ich im Augenblick ja nicht vorzuweisen. Vielleicht sollte ich mich glücklich schätzen, dass eines der verbliebenen zwei Paare wenigstens in gutem Zustand ist.“ Wer wusste, wie lange noch. „Wenn das alles vorbei ist, schenke ich sie ihr.“
 
Falls war das Wort, das ihm eher auf der Zunge lag, denn trotz der Hand, die man ihnen reichte, fiel es ihm schwer, daran zu glauben, dass sie es wirklich schaffen würden. Es war dunkel um sie herum. Und nichts, kein Lichtschein, kein Funke Hoffnung schien in der Lage, diese Dunkelheit zu durchdringen. Anthony kannte dieses Gefühl. Und er hatte gehofft, dass er es nie wieder empfinden würde.
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