Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.

Es ist: 27.07.2024, 04:10


[Prolog] Flucht ins Ungewisse
#21
Es war Vincents Eigenverschulden, dass er durch die fehlende Kontrolle über sein Mundwerk vom stillen Beobachter zum Beobachteten geworden war. Auf eine gewisse Art und Weise war auch Korah daran schuld. Nicht nur, dass sie ihn so plötzlich überrumpelt hatte, auch weil sie sich verbal eingemischt hatte. Doch sie war unsichtbar, während Vincent nun die Aufmerksamkeit von zwei unbekannten Menschen hatte. Zwei fremde Augenpaare, die ihn überrascht, neugierig – skeptisch? – anstarrten und in ihm einen kurzen Impuls der Panik erzeugten. Wie oft hatte Korah ihm in ihrem „Einmaleins der Katori“ gesagt, dass das Aufeinandertreffen mit seinesgleichen ein positives Gefühl in ihm auslösen würde? Eine abstrakte Art von Zugehörigkeit, ein Gefühl von nach Hause kehren.
Dieses Gefühl hatte er bei Baldur Hellissand allerdings nicht gehabt. Er hatte es auch jetzt nicht, obwohl Korahs Euphorie geradezu elektrisierend durch seine Gedanken schoss.

Die Körpersprache des jungen Mannes, der sich eben noch bei dem anderen Mann als William vorgestellt hatte, war nicht so ablehnend wie Vincent es mit seinem trügerischen Bauchgefühl erwartet hätte. Das Lächeln schien ehrlich und die Worte freundlich. Er war so offen, wie man es als Reaktion auf ein ungefragtes Einmischen erwarten konnte. Doch was Vincents Skepsis eher aufsog wie ein Schwamm war Korahs Freude. Ihre Intuition war sein bester Kompass.

“Das scheint es wirklich. Ohhh, es ist so schön, dass wir euch hier begegnen. Der Tag fing so trist an und nun eine so schöne Überraschung!“

Wenn der Professor das hört, wird er ganz aus dem Häuschen sein. Ich möchte es ihm sagen, bitte bitte bitte, jahaa? - Nein, besser noch, wir stellen sie ihm vor, los los!“


Korahs Stimme wiegelte sich mit jeder Silbe immer weiter nach oben, bis sie wahrlich wie ein aufgeregt zeterndes  Federtier klang. Doktor Hellissand würde einen Freudentanz aufführen.
Er war am Abend zuvor so aufgebracht gewesen und Korah hätte ihn gerne mehr getröstet, als Vincent mit seiner zurückhaltenden Art zugelassen hatte. Es schien, als hätte er einen Freund gebraucht, um seinem Frust Luft zu machen, doch Vincent war der Ansicht gewesen, dass sie seinem Vorgesetzten Ruhe geben sollten. Damit er eine Würde bewahren konnte, hatte er es genannt. Papperlapapp. Ihr Seelenpartner musste noch so viel lernen, was Freundschaften anging.


Vincent räusperte sich mit einem raschen Blick auf etwaige Menschen um die kleine Gruppe herum, doch niemand der wenigen Reisenden um sie herum schien ihnen Beachtung zu schenken.

Korah, bitte sei leiser. Wir hatten eine Abmachung, schon vergessen? Und ich kann den Professor nicht mit wildfremden Leuten belästigen, auch wenn sie Katori sein mögen.

Auch wenn Korah diesen Katori sofort vertrauen wollte, war zunächst Vorsicht geboten. Vincent zögerte kurz, dann fügte er in Gedanken hinzu:

Sie wirken nicht bedrohlich, aber ich spüre merkwürdige Schwingungen von diesem William. Du auch?
Er scheint nicht gefährlich. Menschen wie er wurden in meinem Nest als die Verlorenen, die Gefallenen bezeichnet. Ich werde es dir später erklären.

Die Antwort war nicht zufriedenstellend und zeigte einmal mehr, wie wenig Vincent von der Welt der Katori war. Wie lange er diesen Teil seiner selbst nicht gekannt hatte, nicht gewusst hatte, dass es da draußen noch andere gab. Aber er musste seiner kleinen Freundin zustimmen, in Anwesenheit dieser neuen Gesichter war nicht die Zeit für lange Erklärungen. Dennoch... verloren... gefallen. Die Worte passten zu der schwere Aura, die von dem Lockenkopf ausging.

“Entschuldigt, Kor…- ich meine, ich habe mich einfach in Ihr Gespräch eingemischt.“, erwiderte er mit einem entschuldigenden Lächeln. “Ich hatte nicht damit gerechnet, weitere… Gleichgesinnte zu treffen.“

Er hielt es für angemessen, sich im gleichen Atemzug vorzustellen, doch soweit kam es nicht. Eine Stimme, die zu keinem der Männer gehörte und ähnlich wie Korah aus dem Nichts zu kommen schien, mischte sich ein. Ein nach wie vor surreales Erlebnis. Korah war eine vertraute Komponente in seinen Gedanken. An Tiamats gelegentliche Worte hatte er sich noch nicht gewöhnen können. Und nun eine weitere Stimme… er musste einige Male blinzeln, bis er die Worte dahinter prozessieren konnte. Korah wirkte quengelig -  doch sie blieb still, wollte diesmal ihm das Sprechen überlassen.

“Meine Begleitung und ich sind auf unserem Weg nach Inebury, das ist richtig.“, sein Tonfall war zögerlich, der Blick huschte zwischen William und dem noch namenlosen Mann hin und her. “Ihr etwa auch?“

Er hatte in den Monaten, die er schon in Inebury lebte, keine anderen Katori bis auf Baldur kennengelernt. Die Stimme meldete sich erneut, allerdings nur mit dem Namen des Gegenübers. Vincent runzelte die Stirn, dann weiteten sich seine Augen, sein Blick fiel nach unten, an der Seite des angesprochenen Mannes lugte eine Nase hervor, die zu einem hunde-, nein wolfsähnlichen Tier gehörte. Vincents Atem stockte und er spürte förmlich, wie schnell Korahs kleines Herz schlug, als sie nun auch das Tier hinter der Stimme erkannte. Oder lag es gar nicht an der materialisierten Wölfin? Korahs Stille war beunruhigend, als würde sie etwas bemerken, das ihm verborgen blieb. Wäre es gefährlich, hätte sie ihn bereits alarmiert, also schien sie es noch nicht einschätzen zu können. Er blickte zu William, dann zu dem zweiten Katori und zurück zu der Wölfin, die ihn anblickte.

“Ist alles in Ordnung?“

, fragte er mit gesenkter Stimme und warf einen Blick in Richtung Bahnsteig, an dem er Baldur zurückgelassen hatte. Er konnte keinen Tumult dort erkennen, doch so langsam bereute er es, sich von der einzigen Person getrennt zu haben, die er an diesem Ort kannte.

[Bahnhof | Korah(d), Anthony, Jadiya, Samuel & Nethaki (d)]
_____
Zitieren
#22
Du sabberst.
Reylan schreckte aus dem Schlaf hoch, als hätte neben ihr jemand eine Kanone gezündet. Ihr Kopf sackte an der Scheibe nach unten, an die er gesunken war, als sie wegdöste, und in dem instinktiven Bestreben, nicht mit dem Gesicht auf dem Tischchen zu landen, das unmittelbar vor ihr aus der Wagonwand herausragte, stieß sie sich die Schläfe an der Klemme, die den schmuddeligen, ehemals roten Vorhang zurückhielt, der das Abteil zierte.
Ihr entwich ein deftiger, undamenhafter Fluch, bevor die grünbraunen Augen denjenigen suchten und fanden, der für den Schmerz in ihrem Kopf verantwortlich war. Kiewa lag halb eingerollt auf dem Sitz neben ihr, sah zu seiner Partnerin auf und öffnete den Unterkiefer zu einem schäbig-füchsigen Lachen. In dem bernsteinfarbenen Blick des Polarfuchses blitzte der Schalk.
Trotzdem – nur zur Sicherheit – wischte sich Rey mit dem Handrücken über beide Mundwinkel, um ganz wie vermutet festzustellen, dass da nichts war.

Du verlauster kleiner Wischmopp!“,

knurrte sie, ohne große Überzeugung in ihrer Stimme. Denn insgeheim war sie Kiewa dankbar für die Störung. Sie hatte geträumt. Geträumt von den Dingen, die hinter ihnen lagen. Und das so lebensecht, so realistisch, als hätte ihr Verstand diesen Detailreichtum gebraucht, um die vergangenen Ereignisse überhaupt greifen oder gar verarbeiten zu können.
Danke, aber nein danke. Sie hatte das alles bereits ein Mal erlebt. Auf eine zweite Runde konnte sie getrost verzichten. Auch wenn sie den Schlaf gebraucht hätte.
Mit der Rechten über ihre dumpf stechende Schläfe reibend zog die junge Katori mit der Linken eine Taschenuhr aus der Rocktasche und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass kaum 20 Minuten vergangen waren, seit sie auf ihrem Sitz eine halbwegs bequeme Position gesucht und die Augen geschlossen hatte.
Es hatte sich länger angefühlt.
Reylan schob die Uhr zurück in die Rocktasche, streichelte Kiewa sanft über den weichen Kopf und erhob sich dann mit einem müden Seufzen.

Ich schau mal, wo die anderen sich rumtreiben. Vielleicht spendiert Dalvin mir noch ein kaltes Abendessen, bevor wir losfahren. Willst du mitkommen?

Kiewa sah sie einen Moment an und gähnte dann demonstrativ. Die selbst gebastelte Steuermarke an dem eleganten, geflochtenen Halsband, das seinen flauschigen Kragen zierte, klimperte dabei ein wenig. Dann rollte er sich auf dem Sitz zusammen und legte den flauschigen Schwanz über seine Schnauze, sodass sein Gesicht vollständig dahinter verschwand.

Ich passe auf das Gepäck auf, wenn du nichts dagegen hast.

Rey verkniff sich ein Schmunzeln, zog ihren Strickblazer vom Haken und deckte den Fuchs damit zu. Er brummte in ihren Gedanken zufrieden und die junge Frau schob sich an ihm vorbei, um ihn ausruhen zu lassen. Schön, wenn wenigstens er schlafen konnte.
Sie zog die Abteiltür auf, schlüpfte hinaus und schloss sie hinter sich, bevor sie sich zielstrebig auf den Weg zu einer der Zugtüren machte. Das unbestimmte Gefühl, das sie derweil am Rande ihres Bewusstseins beschlich, bemerkte sie zunächst nicht. Schob es, wenn überhaupt, auf Überanstrengung, Schlafmangel und eine gesunde Prise Verfolgungswahn.
Und wieder kehrten ihre Gedanken zu den vergangenen Tagen zurück, zu einem anhaltenden Katz-und-Maus-Spiel, zu Pistolenschüssen und dem tiefen Brummen der Hubschrauber, das sie auch jetzt wieder zu hören glaubte. Beim großen Katori, sie brauchte wirklich dringend ein bisschen mehr Schlaf.
Abgelenkt von dem, was ihr im Kopf herumspukte, prallte die junge Frau im nächsten Moment in eine hochgewachsene Gestalt, noch bevor sie überhaupt auf den Bahnsteig hinausgetreten war. Sie stolperte zurück, gab ein erschrockenes Geräusch von sich und hielt sich reflexartig an dem Geländer fest, das die Stufen hinunterführte. Gerade so hielt sie ihr Gleichgewicht und sah mit einem deutlich schnelleren Herzschlag, als sie zugeben wollte, hinab auf die Person, die sie in ihrer Unaufmerksamkeit beinahe von den Füßen geholt hatte. Fremdländische Züge, Brille, ein stinklangweiliger Anzug und ein etwas vertrottelter Gesichtsausdruck. Alles in allem niemand, in dessen Adern Soldatenblut floss. Nicht mal in zivil. Vermutlich.
Reylan fing sich wieder, atmete für einen Augenblick tief ein, um ihr nervöses Herz zu beruhigen. Die letzten Wochen hatten ihre Spuren hinterlassen. Wurde Zeit, dass selbst sie es einsah.

Nicht der Rede wert, ich hätte selbst besser aufpassen müssen.“ Ein freundliches Lächeln legte sich auf ihre Züge, dann fuhr sie fort und wies dabei mit der Hand in Richtung Dampflock. „Die dritte Klasse ist noch einige Wagons weiter vorn, wenn Sie danach suchen.

Dann hielt sie plötzlich inne und hob kaum merklich eine Braue. Moment. Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas stimmte mit diesem Mann ihr gegenüber nicht. Da war dieses Gefühl, dieses unbestimmte. Nur jetzt konnte sie es bestimmen.

Oh, hm“, machte sie wenig geistreich. Sie hatte noch nie einen Katori getroffen, der nicht aus dem Westen stammte. Sie hatte ehrlich gesagt nicht einmal darüber nachgedacht, ob es auch Chinesen mit tierischen Begleitern gab. Oder Afrikaner? Und war es wirklich das, worüber sie jetzt nachdenken sollte?

[New Yorker Bahnhof | erst im Abteil, dann an einer Zugtür | Taemin & Sibéri]
_____
Zitieren
#23
Samuel atmete tief ein. Das der ihm fremde Mann so nett und zuvorkommend war, war der Hüne nicht gewohnt. Service - so konnte man es nennen. Oder auch: er war zu blöd für alle anderen Aufgaben, weswegen er die Lady begleiten musste, wenn er nicht gefeuert werden wollte.

"Da-Danke!", stieß er letztendlich aus. "Die Dame, Mrs. Dawson, die hatte wohl irgendwas mit'm Herzen, so genau weiß ich das nicht, aber hi-hi-hier scheint ein Doc zu sein, ein echter Profi, hat wohl so ne neue Methode entdeckt, wo man halt das Herz behandeln kann..." 
Samuel war kurz davor weiter zu plaudern über die Dame, die er begleitet hatte - bis ihm die Worte eines Arztes in den Kopf kamen: "EVANS! Wenn du wieder über die Patienten redest, dann Gnade dir Gott, dass ich es nicht herausbekomme!"

Er schluckte. Die Worte des Arztes hallten in seinem Schädel und er spürte, wie er unruhig wurde. Doch der Mann stellte sich ihm nun vor, was Samuel ein wenig ablenkte.

"William - kannte mal einen in der Klinik, der war..." und in seinem Schädel echote es wieder! "Sorry!"

Stell dich nicht so dumm an, meine Güte!, zeterte Nethaki. Die Bärin ließ ein leises Geräusch aus ihrer Kehle grummeln.

Samuel wollte weiter mit William sprechen - bis er unterbrochen wurde. Ein junger Mann näherte sich ihnen und sprach eine Entschuldigung aus. Dann krächzte sein Seelentier, dass auch er ein Katori war. Seine Augen weiteten sich und Nethaki brummelte erneut kurz.

"Richtig, Vogelvieh!", sagte die Bärin mit tiefer Stimme.

William reagierte auch auf den anderen Mann. Knotenpunkt - guter Ausdruck für diesen Zufall. "Bin auch aus Inebury, hatte hier wegen Arbeit und so zu tun", erklärte sich Samuel. Ihm fiel es schwer, sich zu konzentrieren, wenn hier so viele waren: Menschen und insbesondere Katori. Und deren Seelentiere - ein Konzept, welches Samuel noch nicht ganz verstanden hatte.

[Bahnhof | "William" (Anthony). Jadiya, Vincent, Korah (d), Nethaki (d)| Gegen Ende materialisiert]
_____
Zitieren
#24
Eines schien Samuel auf jeden Fall zu sein: Redselig. Ganz im Gegensatz zu seiner Begleiterin, doch das störte Anthony nicht. Dass er mitunter die Schweigepflicht brach, fiel ihm zwar auf, sollte aber ebenso nicht sein Problem sein. Immerhin waren diese Informationen bei ihm zumindest sicher - es hätte also weitaus schlimmer kommen können, als dass Samuel ganz zufällig und unwissend einen Arzt traf, dem gegenüber er in Plauderlaune war. Er lächelte freundlich und fragte nicht weiter nach, als Samuel aus dem Nähkästchen plauderte und sich plötzlich unterbrach. Scheinbar war ihm selbst aufgefallen, dass das vielleicht keine sonderlich gute Idee war. Als er ein weiteres Mal ins Reden geriet, bemerkte er es recht schnell und entschuldigte sich. Der Lockenkopf hob die Hand und winkte mit einem „Schon okay.“ ab. Danach wurden sie ohnehin unterbrochen.

Anthony konnte die anderen von hier aus nicht sehen, was ihm eigentlich bereits sein erster Blickversuch verraten hatte. Trotzdem probierte er es im Laufe des Gesprächs mit den beiden Katori immer mal wieder, um sicherzugehen, dass es ihnen besser erging. Normalerweise hätte er sich unheimlich über die neuen Kontakte gefreut. Gerade aber merkte er all den Stress und die Angst, die seit den vergangenen Wochen auf ihren Schultern lasteten. Für seine beiden Gegenüber und ihre Partner wäre es das Beste gewesen, dass man sie nicht mit ihm sah. Anthony brachte Gefahr. Vielleicht drängte es ihn deshalb so sehr danach, einen Blick auf Anahiel und Dalvin zu erhaschen, weil gerade Anahiel aus einem ganz ähnlichen Grund in dieser misslichen Lage steckte: Weil sie mit ihnen im falschen Moment gesehen worden war. Nach außen hin gelang es ihm erstaunlich gut, die Unruhe in seinem Inneren zu überspielen. Er war geübt, immerhin waren es nun bereits acht Jahre, die er ein Lächeln aufsetzte, ohne es spüren zu können. Der Gefallene war gut darin, sich selbst vor seinen Sorgen, Ängsten und Emotionen zu verschließen. Und hier hatte er vor allem auch den nötigen Abstand, um nicht befürchten zu müssen, dass jemand hinter die Leere seines Lächelns blickte. Er hob die Hand und winkte die Entschuldigung des Neuankömmlings ab. Damals wäre er wohl nicht anders gewesen. Aufgeregt und interessiert an neuen Begegnungen - Faith hingegen hätte sich im Hintergrund gehalten. Nur, weil jemand Katori war, hatte das noch lange nicht bedeutet, dass sie ihm ein Grundvertrauen entgegengebracht hätte.

Jadiya führte das Gespräch mit einer Frage fort und so unwahrscheinlich die Tatsache auch eigentlich gewesen war - der zweite Fremde bestätigte ihre Annahme und überraschte ihn. Das war eigenartig. Auffällig vielleicht sogar, aber er wollte die anderen nicht unnötig alarmieren. Im Auge behalten sollte er es dennoch. Warum ausgerechnet Inebury ihr Ziel war, wussten sie immerhin immer noch nicht. Samuel gab zu, dass er ebenfalls von dort kam und Anthony überging die Frage einfach in der Hoffnung, dass er unterging. Ganz davon ab, dass ihn plötzlich ohnehin ein ganz komisches Gefühl beschlich. Eines, von dem man meinen sollte, dass er es mehr als gut kannte. Tatsächlich wusste er, wie es sich anfühlte - Innerlich nämlich. Von Außen, von einer zweiten Person kannte er es nur von Lance. Und Lance hatte er nur das eine Mal gesehen, als er überraschend bei ihnen aufgetaucht war. Seine Hände ballten sich unauffällig zu Fäusten, doch er versuchte weiterhin, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Das gelang ihm nur schlecht als recht, wie ihm auffiel, als ihn plötzlich etwas kaltes und nasses an der Hand berührte. Wie aus einer Trance erwacht zog er die Hand zurück und erkannte Jadiya. Ihre Anwesenheit stellte er im ersten Moment nicht einmal in Frage, so tief war er in Gedanken versunken gewesen.

„Oh, ja, Entschuldigung.“, sagte er schnell und setzte wieder ein Lächeln auf.

So langsam sackte die Erkenntnis, dass Jadiya nicht hier sein durfte. Er fing kurz ihren Blick auf, ahnend, dass sie ihn längst durchschaut hatte. In seinen Augen lag nicht fiel, was sie deuten könnte. Keine Enttäuschung, keine Erleichterung und auch keine Wut darüber, dass sie ihre Abmachung gebrochen hatte. Er war lediglich blass und gedankenverloren. Dann sah er wieder zu den beiden anderen, blinzelte und warf einen hastigen Blick auf seine Armbanduhr.

„Mir ist nur gerade aufgefallen, dass unser Zug in Kürze fährt. Es wäre ärgerlich, ihn zu verpassen, auch wenn man nicht alle Tage Gleichgesinne trifft. Eine gute Weiterreise wünsche ich!“

Er verabschiedete sich mit einem Nicken und berühte die Wölfin kurz, um ihr zu bedeuten, mitzukommen, als er ein paar Schritte rückwärts machte, ehe er sich umwendete und eilig davonging. Sein Ziel waren die Toiletten, die er ohne ein Wort mit der Wölfin zu wechseln ansteuerte, um sich kurz das Gesicht zu waschen. Er wusste, dass er Jadiya nichts erklären brauchte.

„Du hast es auch bemerkt, oder?“, fragte er dennoch ohne sie anzusehen. „Wir sollten zu den anderen zurück.“

Dass sie materialisiert war, thematisierte er gar nicht. Es brachte nichts, eine Diskussion zu beginnen, die er nicht gewinnen konnte, weil Jadiya es anders sah. Nun hieß es also, das beste daraus zu machen. Anthony hielt die Tür hinter sich offen, damit die Wölfin ihm wieder nach draußen folgen konnte. Sein Ziel waren Anahiel und Dalvin, die noch an ihrem Gleis auf der Bank sitzen mussten. Er wählte einen kleinen Bogen zu den beiden Katori, mit denen er eben noch gesprochen hatte, wurde aber recht bald aufgehalten, als einer der Mitarbeiter auf ihn zuschritt.

„Leinen Sie sofort Ihren Hund an, bevor er jemandem etwas tut!“, fuhr er Jadiya und ihn an.

Anthony fiel jetzt erst auf, dass die Wölfin tatsächlich gar nicht 'an der Leine' hatte. Also nicht nur nachlässig, dass er sie nicht dazu gedrängt hatte, wieder zu verschwinden, sondern auch, dass er ihre Tarnung absolut vergessen hatte.

„Eh, ja, entschuldigen Sie, Sir.“, antwortete er schnell und griff reflexartig in seine Tasche, um irgendetwas herauszuholen, was man als mögliche Leine missbrauchen konnte. Zum Glück hatte der Mitarbeiter sich bereits argwöhnisch umgedreht, als er die Hand leer wieder herauszog und kurzerhand seinen Gürtel unauffällig lösen musste, um ihn Jadiya um den Hals zu legen. „Ich bitte dich. Sobald zu ziehst, stranguliere ich dich und das will ich wirklich nicht.“, vertraute er dem Provisorium nicht wirklich und sah sich kurz um, ob der Mitarbeiter sie noch immer im Blick hatte. Letztlich war es aber ein anderer Blick, den er mehr aus Zufall auffing - einer, von dem er sich so schnell aber auch nicht mehr gelöst bekam.

{ erst mit Jadiya bei Samuel, Vincent, Nethaki (d) und Korah (d) | dann entfernt mit Blickkontakt zu Jareth }
_____
Zitieren
#25
Das Wort ‚bezirzen‘ schwirrte immer noch durch seinen Kopf. Bezirzen – jemanden charmant zu etwas überreden, was er vielleicht nicht unbedingt selbst will. Stimmt von der Zauberin Circe aus der griechischen Mythologie ab. Ja, er erkannte sich auf jeden Fall in diesem Wort wieder, stellte er fest, bevor sein Blick noch einmal die junge Frau vor sich auf und abwanderte. Modisch gekleidet, dynamisch, freundlich. Er musste Sibéri recht geben, sie war wirklich hübsch. Und ganz offensichtlich eine Katori. Taemin stieß innerlich einen Seufzer aus ob seines Glücks. Ob das nun ernst oder sarkastisch gemeint war, das würde sich erst noch zeigen, versteht sich.

Was denkst du noch lange nach? Wenn sie eine Katori ist, dann wird sie dir schon helfen.

Die völlige Überzeugung in der Stimme des Eichhörnchens ließ den jungen Koreaner schmunzeln, während sein Blick einmal den Zug hinauf zum 3. Klassewagon folgte. Ja, sie half ihm seinen richtigen Weg zu finden.
Sein Blick glitt wieder zurück zu der jungen Frau und er lachte leise, als auch sie erkannte, dass er ihr ähnlich war. Er verneigte sich leicht vor ihr, nahm keinen Anstoß an ihrem Verhalten. Er hatte schon wesentlich Schlimmeres erlebt.

Ich fahre öfter Zug. Wo sich die 3. Klasse befindet, ist mir bewusst. Allerdings ist es so, dass ich mich in einer Bredouille befinde.

Sein Blick glitt einmal über den Bahnsteig, nur um zu sehen, dass der Bahnmitarbeiter immer noch der alten Dame half. Erst nachdem er sich versichert hatte, dass er noch einige Augenblicke hatte, wagte er es, zu der Katori zurückzuschauen. Unruhig schob er seine Brille die Nase nach oben und bedachte sie mit einem fast flehenden Blick.

Mir ist bewusst, dass es nicht rechtens ist, aber ich muss wirklich in diesen Wagon, sogar in ein ganz bestimmtes Abteil. Sehen Sie, mein Vorgesetzer“, sein Mund verzog sich für eine Millisekunde abfällig, „befindet sich in diesem Wagen. Und ich muss dringend mit ihm sprechen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir helfen könnten.

Ich hoffe inständig, das ist nicht deine Art Frauen zu bezirzen. Tae, das ist lächerlich, quasi armselig. Du klingst so steif wie ein Angestellter.

Ich hoffe, dir ist nicht entgangen, dass ich ein Angestellter bin. Oder zumindest so gut wie.

Er meinte noch einmal das Wort armselig zu hören, bevor Bewegung in seine Tasche kam.

Si... ganz toll.

Er kam nicht einmal dazu den Namen des Eichhörnchens auszusprechen, als es aus seiner Tasche huschte, die Stufe des Zuges erklomm und sich mit flinken Bewegungen schließlich auf der Schulter der jungen Frau niederließ. Taemin meinte einen ‚niedlichen‘ Blick zuerkennen, als Sibérie die Katori ansah und sie nur mit Blicken darum bat, sie in den Zug zu lassen. Taemin fuhr sich kurz mit einer freien Hand übers Gesicht und schüttelte den Kopf.

[Bahnhof | vor dem Zug | Reylan und Sibérie]
_____
Zitieren
#26
Anahiel setzte die Flasche an ihre Lippen, als sie die Stimme der Füchsin hörte. Erholen können. Versprochen. Sie hatte nichts wirklich dazu zu sagen, was nicht irgendwie zynisch geklungen hätte. Also zählte sie die Schlücke, die sie aus der Wasserflasche nahm. Vier, fünf… zuerst kam ihr in den Sinn so lange zu trinken, bis sie keine Luft mehr bekam, um möglichst viel Zeit hinauszuzögern, dann aber erinnerte sie sich, dass das Dalvin gegenüber sehr unhöflich wäre, wenn sie alles austrank. Sie konnte nicht gerade sagen, dass es ihr unter normalen Umständen Leid getan hatte, so ungesprächig zu sein. Denn unter normalen Umständen war sie nicht ungesprächig. Aber gab es so etwas wie normal überhaupt noch? Wie auch immer, Dalvin fragte nun Milali, ob sie aus Kanada kam und Anahiel hatte nicht das Bedürfnis sich auch noch irgend einen Satz, der das Wort “Kanada” beinhielt, auszudenken. Sie wollte einfach weiterfahren. Nicht nur irgendwas hinter sich haben, sondern irgendwo wieder ankommen.

Drei Sachen passierten dann gleichzeitig. Das Belangloseste zuerst: sie schraubte die Flasche wieder zu. Katoriaura drang wie der vorbei schwebende Duft eines Parfums an sie heran und Yriho meldete sich. Laut hörbar.

„Hey… Dieser Bahnhof ist voll mit Katori. Da stehen zwei Männer bei Anthony, wenn ihr nach links schaut, da sitzt einer auf der Bank. Milali, sind das Kontakte von dir?”

Seine Stimme klang misstrauisch und sie konnte praktisch hören, wie er das ‘Ich traue dem Braten nicht’ dachte, ohne dass er seine Gedanken gerade tatsächlich übersendete.

„Jadiya hat sich sichtbar gemacht…”

Und das war definitiv Missbilligung. Anahiel stellte die Flasche neben sich auf der Bank ab und fing an ihre Umgebung vor sich nach Anthony abzuscannen, bevor sie ihn entdeckte, wollte sie aber noch einen Blick zur Seite werfen und zog eine Seite ihrer Kapuze leicht zurück, um aus den Augenwinkeln nach links zu gucken.
Tatsächlich, dort saß ein Mann auf einer Bank neben der ihren in einer etwas verkrampften Position, als würde er gleich von der Bank kippen.

„Hallo, benötigen Sie Hilfe?”

Vielleicht sollte sie abwarten, was Milali antwortete, aber scheinbar funktionierte doch noch ein Funken ihrer genetisch einprogrammierten Hilfsbereitschaft und so verließen die Worte ganz automatisch ihren Mund.

[ Bahnhof | Dalvin, Milali (d), Yriho (d) | bemerkt Baldur und spricht ihn an ]
_____
Zitieren
#27
Seine Gedanken schweiften - mischten ihre Schritte Gedankenpferden gleich in den steten Rhythmus des Regens und flossen durch die am Dach herabgleitenden Tropfen und seinen Verstand.
Er malte sich aus, wie es sein würde - er erinnerte, wie es gewesen war. Doch alleine sich die Gesichter der Kinder vorzustellen war schwierig. Die Visionen einer erwachsenen Willow, eines beinahe erwachsenen Joshua zerrannen mit dem Regen und flossen ihm immer wieder durch die Finger, ehe er sie zu fassen bekam.
Klarer war das Bild Ediths. Einer Frau, die er fast sein ganzes Leben gekannt und schließlich geliebt hatte. Doch was ihre Reaktion anging lag die Antwort genauso in der Gischt der Nacht wie bei seinen Nachkommen.
Wie sehr er Siel vermisste - ihren Optimismus. Ihren Kampfeswillen.
Diese Schlacht würde er ganz alleine schlagen müssen. Ohne ihre Hilfe - ohne ihre Leitung. Ohne den rettenden Anker des Wissens, dass egal ob seine Familie ihn willkommen heißen oder verbannen würde, da dennoch immer jemand sein würde. Jemand - genauso geschaffen für ihn, wie er für sie geschaffen war.

Was geschah mit einer Erde ohne Mond?

Seine Nächte waren sternenlos. Er strengte sich an sich das Szenario positiv auszumalen, etwas von Siels Geist in seinen Ausblick auf die Zukunft zu manifestieren. Doch immer wieder rutschte er ab und endete damit, wie er alleine in der Nacht stand. Und der Regen fiel - so wie jetzt.
Ein Schattenmann hatte nichts in der Welt der Lebenden zu suchen.
Ob er umkehren sollte? Es war nicht zu spät. Noch war er ein Geist - fähig erneut in die nie endende Nacht abzutauchen in der er so lange gelebt hatte. Vergessen, ungesehen. Nicht existent.
Doch Themba hatte diesem Geist wieder eine Gestalt gegeben. Hatte um ihn gekämpft als er es längst nicht mehr konnte. Sollte das alles umsonst gewesen sein?
Er musste sich zusammenreißen!
Zischend fuhr der Rauch zwischen seinen Zähnen hervor, verwirbelte die Frustration und seine Angst zu bläulichen Schwaden vor seinen Augen.

Es war in diesem Augenblick, als er sich von der Säule in seinem Rücken abstieß, sein Blick nur zufällig über die Bahnhofshalle strich, dass er sich in etwas, verkeilte - und mit ihm in die Tiefe gerissen wurde.
Die Welt stand still - und Jareth ebenso. Eingefroren in einem Moment bodenlosen Erkennens.
Sein Blick lag in dem des Anderen - auch wenn er eine Welt entfernt sein hätte können, zu weit um seine Augen auch nur richtig zu erkennen. Doch er wusste auch so, was ihn aus ihnen ansehen würde. Ein Spiegelbild. Mehr als nur die optische Reflektion seiner selbst.
Etwas zerrte an seinem Geist, heulte, dass der Wolf - und oh, es war ein Wolf! Er war nicht von Geburt an Kanadier um sich so ein Tier als Hund verkaufen zu lassen! - nicht ins Bild passte, dass der andere - wie er - seelenlos sein müsste. Einsam, wie es nur die kannten, deren Leben mit einem anderen endete.
Doch der Gedanke drang erst später klar zu ihm durch. Vorerst brach der Boden unter ihm zusammen und er fiel hinab in den Schmerz, der immer wartete - geduldig wie die Schatten.

'Atmen...'

"Du musst atmen, Jareth! Sieh mich an!"
Spitze Krallen graben sich in seine Brust und das Feuer in den goldgrünen Augen fließt aus ihrem Blick in ihn hinein.
"Ich kann nicht..."
Seine Ohren dröhnen - er hört ihre Worte kaum - doch er hört sie. In sich. In seinem Kopf.
Schmerz rast durch seinen Schädel, brennt an seiner Schläfe, als der Wind über den Riss in der Realität fährt.
Seine Hand zittert, als er auf sie hinabblickt und das Rot ihm entgegenstarrt.
"Du musst! Und du musst aufstehen! Wir können nicht hierbleiben!"
"Ich kann nicht..."
Sein Flüstern wird von dem Rattern der Geschütze in Stücke gerissen...so wie Peter Dunhill, 21, Vater eines kleinen Sohnes...
Jareth kann den Blick nicht von dem fast abgetrennten Kopf anwenden, der kaum mehr Ähnlichkeit mit seinem Kameraden hat. In seinem Magen liegen tausend Steine.
Am Strand liegen tausend Leichen.
"Wir sterben hier, Siel..."
Der Schmerz flammt auf, als Siels Pfote sich auf den Streifschuss legt.
Ihre Augen dulden keine Widerrede, als sie Jareth dazu zwingt sie anzusehen.
"Du musst! Und ich werde nicht zulassen, dass du in diesem dummen Menschenstreit stirbst, Jar. Also steh jetzt auf! Wir sitzen hier in der Falle! Denk an Edith, denk an die Kinder! Wir kommen nach Hause! das schwöre ich dir! Aber du musst nun aufstehen und laufen!"

Er hatte nicht gemerkt, wie sich die Träne in sein Auge geschlichen hatte. Einsam rollte sie herab und mischte ihren Todeslaut in den der Himmelstränen, als auch sie auf dem Boden aufschlug. Und dort zersprang.

Jareth blinzelte - wütend auf sich selbst? Beschämt? - wandte den Kopf ab von dem Blick, der Multiplikation seiner selbst.
Auf dem Boden vor ihm lag seine Zigarette im sterben. Er musste sie fallengelassen haben.
Es wäre leicht gewesen so stehen zu bleiben - den Blick auf die verlöschende Glut gerichtet, sich von den roten Venen hypnotisieren lassen, die noch einmal aufflammten ehe sie verloschen. So zu tun, als hätte er ihn garnicht gesehen - garnicht bemerkt. Zu warten, dass wenn er den Blick hob, der andere sicher fort wäre.
Doch neben der Erschütterung regte sich noch etwas in ihm - und Jareth hob den Blick. Und schließlich auch die Hand zu einem simplen, kurzen Gruß.


[Bahnhof | Blickkontakt zu Anthony]
_____
Zitieren
#28
Flüchtig ließ Dalvin den Blick zu seiner Uhr wandern, unterdrückte ein enttäuschtes Seufzen. Es würde noch einen Moment dauern, bis sie sich in den Zug begeben mussten. Dabei wäre es ihm so viel lieber, jetzt den Kopf gegen das Glas zu lehnen, die Augen zu schließen. Er würde nicht schlafen können, aber sich wenigstens ein wenig ausruhen. Aber auch, wenn er sich sonst ans diesem Gedanken hätte fest beißen können, wurde Dalvin deutlich aufmerksamer, als Yrihos Stimme in seinem Kopf erklang. Fremde Katori. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn man ihnen einfach Ruhe gegönnt hätte. Und dass Jadiya sich materialisiert hatte… auch wenn sie diesen Zustand hasste, wusste sie genau, wieso sie hier eher untertauchen musste. Irgendetwas stimmte nicht. Er verstand Yrihos Missbilligung zu gut, aber viel mehr regte sich eine Sorge in seinem Inneren.
Seine blauen Augen richteten sich auf Anahiel, die die Flasche auf die Bank stellte. Sie zeigte und sagte nicht wirklich etwas darüber, was sie von dieser Situation hielt, aber der Ire hielt sich mit einer Frage zurück. Er konnte es sich irgendwie denken.

Yriho hat uns erzählt, was bei euch los ist.
Hier ist ein Gefallener.


Dalvin erstarrte bei diesen Worten. Es gab, zum Glück, eher selten einen Katori, der nicht mehr von seinem Partner begleitet wurde. Er hatte eine Hand voll von ihnen getroffen, hatte ihren Geschichten gelauscht, die so oft voll von Schmerz waren. Manche kamen gut damit zurecht, andere zerbrachen daran vollkommen. Nun wäre es an sich kein Problem gewesen, wenn Jadiya auf einen Gefallenen getroffen wäre. Auch, wenn die Aura dieser Katori auf manch einen etwas einschüchternd wirken mochte, so ging von ihnen in den seltensten Fällen Gefahr aus. Was den Iren jedoch besorgte, war Jadiyas Gesellschaft neben dem Fremden. Anthony war bei ihr, traf also zwangsläufig auf Jemanden, der das selbe Schicksal wie sein bester Freund teilte.

Ist alles in Ordnung?
Ich… denke schon.


Eine Antwort, die Dalvin nicht wirklich zufrieden stellte. Sie hätte sich nicht einfach materialisiert, wenn alles in Ordnung wäre. Erst jetzt richtete der Dunkelhaarige den Blick ein wenig zur Seite, zu der Bank, auf der ein Fremder saß, von dem ein eindeutiges Gefühl ausging. Anahiel sprach ihn an, aber Dalvin lauschte nur halbherzig, ob er antwortete. Es missfiel ihm mit jeder Faser, aber die Unruhe in seinem Inneren ließ sich nur mit einer Möglichkeit beruhigen.

„Bei Jadiya und Anthony ist ein Gefallener. Irgendetwas stimmt nicht, sonst hätte sich Jadiya nicht materialisiert.“ Seine hellen Augen richteten sich auf die Frau neben ihm, er sprach leise genug, dass nur sie ihn verstehen konnte. „Ich gehe nachsehen, ich bin gleich zurück. Wenn etwas ist, ist Jadiya schnell bei dir.“

Er wollte Anahiel nicht allein lassen, auch wenn die Füchsin und Yriho bei ihr waren. Aber er konnte nicht anders, wollte einmal nach dem Rechten sehen und dann zurück kommen. Noch ein kurzer Blick galt dem Fremden. Prüfend, abschätzend. Anahiel konnte auf sich selbst aufpassen, auch, wenn sie angeschlagen war. Trotzdem wollte er nicht zulassen, dass ihr irgendetwas passiert. Genauso wenig aber bei Anthony und Jadiya.
Er erhob sich also, griff nach seinem Gehstock und richtete die blauen Augen noch einmal auf Anahiel. Yriho würde genauso wenig zulassen, dass ihr etwas passierte, dessen war der Ire sich sehr sicher. Während er sich herum wandte, streifte sein Blick noch einmal den fremden Katori, ehe er sich in die Richtung fort bewegte, in der sich seine Partnerin und sein bester Freund befanden. Dabei unterdrückte der Mann einen Blick zum Zug. Wenn hier so viele Katori waren, war auch seine Schwester vermutlich nicht mehr allein. Aber Reylan war von ihnen allen die Fitteste, die, die am ehesten auf sich aufpassen konnte. Vermutlich mussten sie sich um jeden Katori sorgen, der ihr in den Weg trat. Und trotzdem, auch ihr galt seine Sorge. Vor allem, weil er sie lieber fern von sich selbst gewusst hätte, in Sicherheit. Jetzt war sie aber hier und er musste irgendwie damit leben. Und jetzt musste er zuerst nachsehen, ob bei Jadiya wirklich alles in Ordnung war. Also griff er seinen Gehstock ein wenig fester, versuchte den Schmerz in seinem Fuß zu unterdrücken und bewegte sich in die Richtung der beiden gefallenen Katori und der Wölfin.

[Bahnhof | Erst Anahiel, Yriho (d), Miali (d), Baldur & Tiamat (d) | Dann allein Richtung Anthony, Jareth & Jadiya]

Jadiya lauschte nur halbherzig auf die Worte des Mannes, der sie ignoriert hatte. Er erzählte irgendetwas von einer Patientin oder so, aber die Wölfin kümmerte sich nicht im geringsten darum. Der Neuzugang war deutlich sympathischer, genau wie seine Partnerin. Diese schwieg zwar, aber das war angenehmer als ignoriert zu werden. Immerhin antwortete der dazu gehörige Mensch. Er entschuldigte sich dafür, dass er sich eingemischt hatte und Jadiya beantwortete diese Worte mit einem sachten Pendeln der Rute. Seine Gegenfrage ging jedoch in dem plötzlichen Gefühl unter, dass Anthony genauso spürte, wie sie.
Er zog die Hand zurück, was für Jadiya nur eine Bestätigung ihrer Vermutung war. Er hatte sich kurz in einem Gedanken verloren und es war kein Geheimnis, womit sich dieser befasst hatte. Sein Anblick sprach auch genug und so hielt die bunte Wölfin sich nah bei ihm, schmiegte sich locker an sein Bein. Sie erwiderte den Blick aus wachsamen Augen, in denen das leise Versprechen lag, dass sie ihm nicht von der Seite weichen würde. Er schaute auf seine Uhr, entschuldigte sich nun seinerseits bei den Fremden und fand gute Worte, um aus dieser Situation zu entkommen. Sie selbst richtete die orangen Augen auf den fremden mit den dunklen Haaren.

“Vielleicht treffen wir uns ja noch einmal wieder!“

Ein freundlicher Ton galt dem Dunkelhaarigen und seiner schweigenden Partnerin, zusammen mit einem sachten Wedeln ihrer Rute. Nicht jedoch dem unsympathischen Glatzkopf und seiner unsympathischen Partnerin. Sie spürte Anthonys kurze Berührung, wandte sich mit ihm herum und folgte seinem Weg, durch eine Tür, zu einem Waschbecken, an dem er sich das Gesicht wusch. Die ganze Zeit blieb sie bei ihm, sprach währenddessen mit ihrem besorgten Partner, ohne ihm jedoch eine wirklich passende Antwort geben zu können.

Es war eindeutig.“

Seine letzten Worte bestätigte sie nur mit einem sachten Nicken, folgte ihm dann wieder nach draußen, wo sie sehr schnell von einem fremden Mann angesprochen wurden. Also… Anthony. Weil sie war ja nur irgendein leinenloser Hund. Die Wölfin schnaufte, wollte dem Mann die Meinung sagen, auch, wenn er sie nicht hören würde. Stattdessen hatte sie kurz darauf Anthonys Gürtel um den Hals und schüttelte sich kurz, unbegeistert. Aber sie musste mit den Konsequenzen leben, sie wusste es ja. Wenn das der Preis dafür war, dass sie wirklich an der Seite des Mannes sein konnte, dann zahlte sie ihn gern. Die Worte des Katori kommentierte sie mit einem weiteren Schütteln, einem leisen, halb zustimmendem Brummen. Aber ihre Aufmerksamkeit wurde schnell anders beansprucht, als ihr ein fremder Mann auffiel, zu dem diese Aura zu gehören schien. Er sah auch nicht sonderlich glücklich aus und die Wölfin kannte diesen Anblick. Halb hinter Anthony stehend drängte sie sich noch ein wenig enger gegen seine Beine, schwieg jedoch. Ihre orangen Augen lagen aufmerksam auf dem Fremden, der die Hand zum Gruß hob. Sachte stupste sie gegen die Hand des Mannes, der neben ihr stand, ohne dabei weniger aufmerksam zu sein. Er sagte nichts, also ließ Jadiya Anthony die Wahl, ob er ihn ansprechen wollte oder ob er doch zurück zu Anahiel und Dalvin gehen wollte. Nur ganz leise fügte sie für ihn noch ein paar Worte an.

„Dalvin weiß Bescheid, bei ihnen ist auch ein fremder Katori.“


[Bahnhof | Anthony, in der Nähe von Jareth]
_____
Zitieren
#29
Gäste können Bilder leider nicht sehen. Aber du kannst dich gerne registrieren, bei uns mitzumachen.

Miali
Rotfuchs
leiser Sonnenschein



Sie wusste, dass das alles hier nur ein geringer Trost war. Sie konnte so viel Versprechen, wie sie wollte - das Vertrauen dieser Menschen war gebrochen und Miali nahm es ihnen alles andere als übel. Es waren Aussichten, die sie schaffen wollte. Stohhälme, an denen ihre Gedanken und Träume sich klammern konnten, während die Realität so unberechenbar und kalt über sie einbrach. Denn sie kannte dieses Gefühl. Kannte Hoffnungslosigkeit, Heimatlosigkeit und diese enttäuschte Erschöpfung in ihren Gesichtern. Insgesamt war sie die Reise über recht still gewesen und hatte sich als stummer Begleiter gezeigt, weil sie sich wie ein Eindringling fühlte. Ein Eindringling in ihre so sensible Privatsphäre, obwohl sie sie doch gar nicht wirklich kannten. Sie war diskret, hatte sich nur eingeschaltet, um den Weg zu weisen oder eine Frage zu beantworten und hatte ihnen sonst das Gefühl geben wollen, dass sie unter sich waren. Wohl behütet auf ihrem Weg in ein neues Leben.

„Nein. Ich bin auch erst seit wenigen Jahren dort.“, antwortete sie und behielt für sich, dass Hanya ihr ein viel größerer Begriff war als ihr jetziges Reiseziel.

Mary schwieg und Miali wollte sich auch gerade wieder mit dem schweren Druck von Mitgefühl in ihrem Magen der Stille hingeben, als sich eines der Seelentiere meldete und sie in Alarmbereitschaft versetzte. Besonders, als Yriho erwähnte, dass sich Jadiya materialisiert hatte. Die Mission schien innerhalb von wenigen Sekunden aus dem Ruder zu laufen.

„Über diese Mission ist niemand informiert.“, antwortete sie recht zügig und bestimmt.

Natürlich hätten Änderungen sie auch nicht mehr erreicht, seit sie die Seite ihres Partners verlassen hatte, aber das klang nicht nach ihm. Sie war sich sicher, dass das ein eigenartiger Zufall war. Ein Zufall, der ihr ähnlich missfiel wie Yriho offensichtlich. Und wie es schien, waren es nicht nur Katori sondern auch ein Gefallener. Miali spannte sich an. Ihre Gedanken ratterten, während Dalvin sich bereits verabschiedete und sie dabei zusehen musste, weil sie nicht in der Lage war, hier irgendjemanden aufzuhalten. Währenddessen wandte sich Mary an den Katori, der ihnen am nächsten war und abermals zog sich ihr Magen unangenehm zusammen. Sie haderte mit sich, ob sie sich einmischen sollte oder nicht.

„Nun, er hier ist mir dennoch nicht unbekannt.“, murmelte sie dann doch an Yriho und Mary gerichet. „Das ist Prof. Hellissand. Er unterrichtet an der Universitat von Inebury.“



{ (d) | Anahiel & Yriho (d) & Baldur & Tiamat (d) | Bahnhof }
_____
Zitieren
#30
Eigentlich ist das meine Rolle und sie steht dir nicht.

Elaine atmete tief durch, um die Contenance zu bewahren, und ballte die Hände zu Fäusten. Es konnte doch nicht sein Ernst sein, auch noch Öl ins Feuer zu gießen? Unglaublich. Manchmal wollte sie Iras irgendwo aussetzen. So sehr sie diesen überdimensionierten Hund liebte, aber manchmal … Ja, manchmal hatte er ein besonderes Talent dafür, die Situation zu verschlimmern. Und noch schlimmer machte es die Tatsache, dass er wirklich dachte, er würde ihr helfen.

Halt die Klappe, oder ich binde dich an den nächsten Baum und verlasse die Stadt ohne dich. Und es wird kein Abschiedsleckerli geben!, schnauzte sie ihren Seelenpartner in Gedanken an.

Sie wussten beide, dass es eine glatte Lüge war, aber immerhin zeigte sie Wirkung und der Barsoi sagte kein Wort mehr. Stumm setzten sie gemeinsam den Weg zum Bahnhof fort, während die Katori über den mageren Erkenntnissen ihrer Reise brütete. Sie hatte sich deutlich mehr davon erwartet und die Enttäuschung über den ausbleibenden Erfolg wog schwer. Da hatte sie sich so lange darauf vorbereitet und gefreut, nach Hanya zu reisen, nur um so gut wie nichts Neues herauszufinden. Eine Sache war ihr jedoch aufgefallen: es befanden sich erstaunlich wenige Katori in der Stadt, was so gar nicht zu den Erzählungen passte. Wo waren die alle hin? Während weiterhin viele Fragezeichen in ihrem Kopf herumschwirrten, kam der Bahnhof in Sichtweite.

Es wird Zeit, dass du dich dematerialisierst.

Das Reisen mit einem großen Hund gestaltete sich in vielerlei Hinsicht unpraktisch, ganz abgesehen davon, dass seine Erscheinung nicht wenigen Menschen durchaus Angst einjagte; das hatten sie über die Jahre zu ihrem Leidwesen öfter feststellen müssen. Mit ihm als unsichtbaren Begleiter war es in diesem Fall also definitiv das Beste für alle Beteiligten. Beide sahen sich um, vergewisserten sich, dass niemand guckte, und schon löste sich Iras wortwörtlich in Luft auf. Selbstverständlich wäre es Elaine lieber gewesen, wenn ihr Seelentier in seiner Gestalt bleiben konnte, weil sie sich mit ihm deutlich sicherer fühlte und um die Außenwirkung wusste, doch sie hatten die Lektion gelernt.

Spürst du das?, durchbrach der Barsoi-Rüde ihre Gedanken.

Die Frau blieb stehen und verlagerte ihren Fokus nach außen. Tatsächlich, sie konnte die besondere Aura, die nur Katori umgab, deutlich fühlen. Sie steuerte schnellen Schrittes zielstrebig das Bahnhofsgelände um und sah sich am Bahnsteig schließlich suchend um. Die Aufregung über das unerwartete Gefühl hatte Elaine fest im Griff und ließ sie mehrmals um die eigene Achse drehen, in der Hoffnung, der oder die Gesuchte würde ihr wie von Zauberhand auffallen.

Links von dir.

Sie vertraute Iras völlig, also setzte sie sich ohne nachzudenken wieder in Bewegung. Hoffnung und der Drang nach Antworten übermannten sie wie eine heftige Welle, ließen sie mehr reagieren als agieren. Weiterhin sah sie sich suchend um und es dauerte nicht lange, da stieß die Katori unbeabsichtigt mit jemandem zusammen. Reflexartig griff sie nach der unbekannten Person, um sie am Fallen zu hindern, und überraschte vermutlich nicht nur sich selbst damit, dass alle auf den Beinen blieben.

Ziel erreicht.

”Oh mein Gott, ich fasse es nicht”, keuchte Elaine und blickte dem Fremden umwunden in dessen blaugraue Augen, während sie ihn wieder losließ und einen Schritt zurück machte.

”Hi, ich bin Elaine!”, stellte sie sich direkt vor.

Die Enttäuschung über die vorwiegend nutzlose Reise war in den Hintergrund getreten, stattdessen erfasste sie die Euphorie über die unerwartete Begegnung sowie das Potentials, das diese beinhaltete. Vielleicht würde sie schließlich doch Antworten erhalten; eine Erkenntnis, die wie ein Blitzschlag in ihrem Körper vibrierte. Es kostete Elaine einiges an Beherrschung, den Fremden nicht sofort mit all den Fragen zu bombardieren, die ihr auf der Seele brannten. Stattdessen atmete sie tief durch und sagte:

“Es tut mir leid, dass ich so unaufmerksam war und nicht auf den Weg geachtet habe. Geht es Ihnen gut? Oder tut Ihnen etwas weh?“ 

[ Bahnhof | Dalvin & Iras (d) ]
_____
Suchen Dalvin Crown gefällt dieser Beitrag
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste